Schwabmünchner Allgemeine

Impro-Theater zeigt „Alternatie­fen“im Leben

Drei Künstler überzeugen in Graben mit Geschichte­n von Speed-Dating, ledigen Lehrern und dem letzten Abend als Jungfrau

- VON HIERONYMUS SCHNEIDER

Graben Das Gräbinger Kulturzent­rum ist schon länger als Forum für kulturelle Veranstalt­ungen der etwas anderen Art bekannt. Nun wagten Bürgermeis­ter Andreas Scharf und Sabine Biedermann mit einem Improvisat­ionstheate­r einen Schritt in eine neue Richtung. Das Thema „Alternatie­fen im Leben“mit der rückwärtsg­ewandten Frage „Was wäre, wenn ich es damals ganz anders gemacht hätte?“durchzog den Theaterabe­nd auf äußerst unterhalts­ame Weise.

Monika Eßer-Stahl und Markus Zett gehören zum Ensemble des Münchner Improvisat­ionstheate­rs „Fastfood“. Bei ihrem Auftritt brauchen sie weder Bühnenbild­er, noch Kostüme. Ihre Verwandlun­gsfähigkei­t in der Interpreta­tion verschiede­nster Rollen beweisen sie allein durch Mimik, Gestik und sprachlich­er Vielfalt. Untermalt und verstärkt werden ihre Szenen vom Pianisten Lukas Maier, der intuitiv auf die Rollenspie­le der Darsteller eingeht und sie in Töne umsetzt. „Alles entsteht heute Abend und nur hier und ist somit einmalig“, erklärt Eßer-Stahl dem Publikum und fordert gleich einen Herrn aus der ersten Reihe auf, sie und ihren Partner in eine von ihm bestimmte Position zu bringen. Aus dieser Grundhaltu­ng heraus spielen sie kurze Szenen in verschiede­nen Rollen, die ihnen von den Zuschauern zugerufen werden. Daraus entwickelt sich eine Kurzgeschi­chte mit dem Titel „Der letzte Abend als Jungfrau“, die in den drei Varianten „nervös“, „schrecklic­h“und „ideal“jeweils einen anderen Verlauf nimmt.

Beim anschließe­nden Speed-Dating mit zugerufene­n Rollen stellen die Schauspiel­er nach jeder Szene die Frage: „Kommen die beiden zusammen?“und spielen dann eine Szene aus deren Ehe nach vielen Jahren.

Im zweiten Teil entwickeln Eßer- Stahl und Zett das Thema „Alternatie­fen“mit einer längeren Geschichte. Die Hauptfigur wird wieder vom Publikum definiert. Markus Zett soll einen 45-jährigen, ledigen Lehrer spielen, dessen eigentlich­er Lebenstrau­m Pizzabäcke­r ist. Seine Partnerin erfindet dazu vier Frauenroll­en – die frustriert­e, alkoholkra­nke Kollegin, die griesgrämi­gegoistisc­he Mutter, die Pizzabäcke­rin und die nette Nachbarin. So bleibt der Lehrer beispielsw­eise in einer Variante wegen der Versorgung der Mutter bei seinem ungeliebte­n Beruf und endet unglück- lich. Mit einem Gong wird die Zeit zurückgedr­eht und die Geschichte so gespielt, als wenn sich der Lehrer zu einem bestimmten Zeitpunkt dafür entschiede­n hätte, seinen Lebenstrau­m zu verwirklic­hen und sein Glück gefunden hätte.

Die beiden Improvisat­ionskünstl­er überzeugen in ihren Rollenspie­len mit unglaublic­her Kreativitä­t und Wortwitz, wozu auch der österreich­ische Dialekt des Wieners Markus Zett sorgt. So sagt die Mutter in einer Szene „Ich bin krank, ich habe einen Gendefekt“und der Sohn erwidert „Kannst nimmer geh’n?“Eßer-Stahl zeigt in der Interpreta­tion der verschiede­nen Charaktere von der bösen Mutter bis zur verliebten Nachbarin große Schauspiel­kunst aus ihrer über 20-jährigen Erfahrung. Seit 2002 gehört sie zum Ensemble des Impro-Theaters Fastfood. Die Wahlmünchn­erin erzählt im Gespräch nach der Vorstellun­g von ihrer Herkunft Untermeiti­ngen. Denn hier ist sie als Tochter des Spediteurs Anton Stahl aufgewachs­en.

Markus Zett ist seit 2011 bei Fastfood und auch auf österreich­ischen Bühnen unterwegs sowie in Filmund Fernsehrol­len präsent. Demnächst ist er bei der Berlinale in dem Film „Der Boden unter den Füßen“zu sehen. Auf die Frage nach dem Sinn ihres Programms antworten beide, dass es durchaus eine therapeuti­sche Wirkung habe, wenn Weichenste­llungen im Leben rückblicke­nd in ihren Alternativ­en durchdacht werden.

Andreas Scharf überrascht­e die drei Improvisat­ionskünstl­er nach ihrem Auftritt mit der Verleihung des „Gräbinger Schweißtuc­hes“für ihre gelungene heiter-tiefsinnig­e Darbietung.

„Alles entsteht heute Abend und nur hier und ist somit einmalig.“Monika Eßer-Stahl

 ?? Foto: Hieronymus Schneider ?? Gestik, Mimik und Sprache sind die einzigen Werkzeuge der Improvisat­ionsSchaus­pieler Monika Eßer-Stahl und Markus Zett (rechts). Lukas Maier untermalt ihre Szenen am Piano.
Foto: Hieronymus Schneider Gestik, Mimik und Sprache sind die einzigen Werkzeuge der Improvisat­ionsSchaus­pieler Monika Eßer-Stahl und Markus Zett (rechts). Lukas Maier untermalt ihre Szenen am Piano.

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