In Stadtbergen sind auch Kinder obdachlos
Menschen ohne Wohnung gibt es überall – auch im Landkreis Augsburg. Sozialarbeiter gehen von hoher Dunkelziffer aus.
Neusäß/Stadtbergen Eine Unterkunft ist kein Zuhause. Bett, Tisch, Kochmöglichkeit, warmes Wasser und Heizung – mehr bieten die städtischen Obdachlosenunterkünfte in Neusäß nicht. Auch nicht die neuesten, das sind zwei Wohncontainer in der Stadtmitte. Belegt sind sie dennoch meistens: Fünf Obdachlose müssten die Städte Gersthofen und Neusäß jeweils aktuell unterbringen, so der Leiter des Neusässer Ordnungsamts, Josef Hoppe, jetzt im Neusässer Sozialausschuss. In Stadtbergen sind es sogar 18, darunter auch zwei Familien mit Kindern, berichtet die Leiterin des Stadtberger Sozialamts, Siegrid Hunger. Mietschulden, Probleme, die Nebenkosten zu bezahlen, und dazu noch die Tendenz, vor den Problemen erst einmal die Augen zu verschließen: Das seien Auslöser für den Verlust der eigenen Wohnung. Und wer schon einmal Mietschulden hatte, für den werde es „extrem schwierig“, überhaupt wieder eine Wohnung zu finden. In den Stadtberger Unterkünften müssten sich deshalb auch schon mal zwei Personen ein Zimmer teilen.
Die Leiterin des Sozialamts hat beobachtet, dass das Problem in den vergangenen Jahren zunimmt. Das Sozialamt in Stadtbergen nutzt ein Netzwerk aus sozialen Einrichtungen, etwa dem Seniorenbeirat und der Familienstation oder dem besonderen sozialen Dienst des Landratsamts, um den Obdachlosen wieder zu einer fes- ten Wohnung zu verhelfen. Allerdings: Hauptproblem ist der fehlende Wohnraum.
Seit einem knappen Jahr verlassen sich die Städte Gersthofen und Neusäß nicht allein auf ihre Netzwerke. Seit Frühjahr 2018 bietet in beiden Städten Christine Bürger von der Diakonie Augsburg Beratungen für Menschen mit Wohnproblemen an. Über ihre Arbeit in Neusäß hat sie jetzt im Sozialausschuss berichtet. 25 Frauen und Männer sind seitdem in ihre Sprechstunde gekommen. „Von neun habe ich anschließend erfahren, dass sie wieder eine Wohnung haben“, berichtet sie. Was die Beratung schwierig mache: Viele Menschen kämen erst spät. Nämlich dann, wenn die eigene Wohnung schon so gut wie verloren sei, vielleicht sogar erst dann, wenn eine Räumungsklage eingetroffen ist.
Oft geht es in den Beratungen um Grundlegendes: Wer lange keine Wohnung gesucht hat, wisse manchmal gar nicht, wie er das anstellen solle, so Sozialpädagogin Christine Bürger. Jung oder alt, Frau oder Mann: Probleme beim Finden von Wohnungen zögen sich quer durch die Gesellschaft. Was es besonders schwer macht: Die gesuchten Wohnungen sind einfach nicht zu finden. Wer auf staatliche Hilfe angewiesen ist, muss zudem ein günstiges, nicht zu großes Objekt finden: Mehr als 425 Euro brutto und kalt dürfe eine 50-Quadratmeter-Wohnung für eine Einzelperson in Neusäß nicht kosten – „und weiter auf dem Land müssen die Wohnungen noch billiger sein“, zeigt Bürger auf.
Was hinzukommt: Obdachlos und wohnungslos, das sei ein großer Unterschied. Während sich die Sozialämter der Kommunen um Obdachlose kümmern, gebe es eine „Grauziffer“an Menschen, die wohnungslos seien. Dazu gehören jene, die bei Verwandten im Gästezimmer oder bei Bekannten auf der Couch untergekommen sind. Oder Studenten, die nicht von zu Hause ausziehen können. Ihre Zahl steige womöglich jährlich, werde jedoch statistisch nirgendwo erfasst.
Zurück zu den Obdachlosen: Ihre Zahl sei kaum kalkulierbar, sagte im Neusässer Sozialausschuss die Mitarbeiterin der Liegenschaftsverwaltung, Susanne Mullack. Oft müsse schnell mit Wohnraum geholfen werden – etwa, wenn eine ganze Familie obdachlos werde. Die Stadt versuche jedoch anschließend, die Obdachlosen dazu zu motivieren, überhaupt wieder nach einer eigenen Wohnung zu schauen. Was nicht ganz leicht sei im Fall von Erkrankungen, so Josef Hoppe vom Ordnungsamt. Er berichtet von Neusässern, deren Leben zwischen städtischen Obdachlosenunterkünften und einer Unterbringung in der Bezirksklinik ablaufe.
Von einem Hoffnungsschimmer konnten hingegen Susanne Kern und Uwe Krüger berichten. Sie hatten auf derselben Sitzung von ihrem inzwischen deutschlandweit erfolgreichen Projekt der Mieterqualifizierung berichtet. Das sei in Augsburg für Obdachlose angeboten worden. Schon allein diese Form des Interesses und der Zuwendung für ihre Lage habe bei einigen von ihnen eine sichtbare Veränderung gebracht, so Uwe Krüger.
(Symbolfoto: Silvio Wyszengrad)