Ein Zuschauer, der störte – ein Gespräch, das anregte
Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal kam zu „Oleanna“an die Uni Augsburg und sprach danach über falsche Hierarchien
Es ging rund am Samstagabend im Hörsaal II der Uni Augsburg. Zum Publikumsgespräch nach der Vorstellung von David Memets Zweipersonenstück „Oleanna – ein Machtspiel“war die in Düsseldorf lebende Kulturwissenschaftlerin, Journalistin und Autorin Mithu M. Sanyal (*1971) nach Augsburg gekommen. Mit ihren Büchern „Vulva: Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts“(2009) und dem vor zwei Jahren erschienenen Buch „Vergewaltigung – Aspekte eines Verbrechens“hat Sanyal wichtige Beiträge im feministischen Diskurs verfasst.
Noch vor dem Gespräch gab es einen Moment der Irritation. Was war passiert? Mitten in den dritten Akt, gerade als sich die Schauspieler Katja Sieder (Carol) und Andrej Kaminsky (John) positionierten, um in den Improvisationsmodus überzuwechseln, platzte ein wenig sensibler Zuschauer herein, um sich einen Platz zu suchen. „Haben Sie überhaupt ein Ticket?“, fragte Kaminsky, der sich über die dreiste Störung ärgerte, woraufhin ein Wortgefecht entbrannte, das mit dem Abgang des Mannes endete. War nicht auch hier schon Macht und „Recht haben“im unfreiwilligen Extempore-Spiel?
Das Stück, das 1992, also Jahrzehnte vor der #MeToo-Debatte uraufgeführt wurde, lässt den Zuschauer, wie es im Programm beschrieben ist, unentschieden zurück mit der „unbeantworteten Frage nach der Wahrheit und dem Gefühl, dass es keinen Konsens darüber gibt, wer oder was richtig und falsch ist“. Dafür hatte man in Sanyal eine ideale Expertin gefunden.
Die Autorin ist gefragte Dozentin für „Konsens-Workshops“. In ihnen vermittelt sie Strategien zur sexuellen Selbstbestimmung. „Nur wer erlernt hat, wie man respektvoll kommuniziert, kann deutlich die eigenen Grenzen kommunizieren“, so Sanyal, der die Inszenierung geholfen hatte, das Theaterstück mit anderen Augen zu sehen.
Hier wies sie nachdrücklich auf die feministisch inspirierten „WenDo“-Kurse hin, in denen Frauen und Mädchen der Weg zu mehr Selbstsicherheit gelehrt wird. „Macht, wie sie in ‚Oleanna‘ demonstriert wird, ist schlecht für unsere Empathie-Leistungen“, schloss die Kulturwissenschaftlerin, die mit ihren Visionen für die Heilung eines rigiden auf falschen Hierarchien beruhenden Systems plädiert. Der Schlüssel, die Essenz ihrer Message an das Publikum, liegt in EmpathieKompetenz, die zu stärken Männer wie Frauen lernen müssen. Aufgrund ihres schwer zu bremsenden Redeflusses – O-Ton Sanyal: „Ich bin nicht der Typ für kurze Ja- oder Nein-Antworten“–, kam dieses erst spät dazu, eigene Fragen zur Inszenierung von „Oleanna“zu stellen.