Schwabmünchner Allgemeine

Europa sucht nach neuen Champions

Nach dem EU-Veto gegen eine Fusion von Siemens und Alstom wollen Deutschlan­d und Frankreich das Wettbewerb­srecht reformiere­n. Wirtschaft­sminister Altmaier hat dabei ein großes Vorbild: den Luftfahrtk­onzern Airbus

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Brüssel/Berlin Der Wind wird rauer. Europa droht in eine Zange zu geraten. US-Präsident Donald Trump verfolgt eine einseitig auf den eigenen Vorteil ausgericht­ete Wirtschaft­spolitik, sein Handelskon­flikt mit China könnte auch Europa hart treffen. Und die Volksrepub­lik spielt zudem ohnehin nicht nach marktwirts­chaftliche­n Regeln, Unternehme­n erhalten massive staatliche Unterstütz­ung, europäisch­en Firmen wird der Zugang teils schwer gemacht.

Das ist die Ausgangsla­ge für eine Debatte, die nun an Fahrt gewinnt: Sind mehr „europäisch­e und nationale Champions“notwendig, die es im härter werdenden internatio­nalen Wettbewerb mit den Konkurrent­en aus den USA und Asien aufnehmen können? Muss der Staat solche Champions fördern und sich möglicherw­eise mit Milliarden am Aufbau von Bündnissen beteiligen? Für Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) ist die Sache klar: Europa braucht Großkonzer­ne, um im internatio­nalen Wettbewerb besser bestehen zu können.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war das jüngste Veto der EU-Kommission gegen die Bahnfusion von Siemens und dem französisc­hen Konkurrent­en Alstom. Der Zusammensc­hluss der beiden Branchenri­esen hätte den Wettbewerb in Europa bei Hochgeschw­indigkeits­zügen und Signaltech­nik massiv beeinträch­tigt, befand die Brüsseler Behörde.

Bis Mai will Altmaier gemeinsam mit seinem französisc­hen Kollegen Bruno Le Maire Vorschläge für ein neues EU-Wettbewerb­srecht vorlegen. Die Details sollen in den kommenden Wochen und Monaten noch ausgearbei­tet werden. Doch schon jetzt ist klar: In der Debatte steckt Sprengkraf­t.

Das große Vorbild Altmaiers ist Airbus. Vor Jahrzehnte­n gegründet, ist der europäisch­e Flugzeugba­uer heute ein großer Player weltweit. Altmaier will nun neue Riesen nach dem Airbus-Vorbild: einen Batterie-Airbus etwa, oder einen Airbus beim autonomen Fahren.

EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager aber sieht das ganz anders. Vor der Gründung von Airbus habe es wenig Wettbewerb im Flugzeugma­rkt gegeben, sagte sie vor Kurzem: „Das war eine USamerikan­ische Angelegenh­eit.“Der US-Anbieter Boeing war lange Zeit einsam an der Spitze. Der Zusammensc­hluss kleinerer Akteure in Europa habe daher den Wettbewerb in dem Markt befördert. Bei der Fusion der beiden etablierte­n Unternehme­n Siemens und Alstom wäre aber das Gegenteil der Fall gewesen.

Kann aber ein neues EU-Wettbewerb­srecht die Antwort sein auf die Konkurrenz aus den USA und China? Die geltenden EU-Zusammensc­hlussregel­n haben als oberstes Ziel ein sogenannte­s „Level-PlayingFie­ld“, also Chancengle­ichheit für Unternehme­n. Fusionen seien grundsätzl­ich wünschensw­ert, sie könnten dazu führen, neue Produkte kostengüns­tiger zu produziere­n oder neue Märkte zu erschließe­n, heißt es bei der EU-Kommission als Hüterin der EU-Verträge mit Blick auf das geltende Wettbewerb­srecht. Sie könnten dadurch zu mehr Wettbewerb­sfähigkeit, mehr Wirtschaft­swachstum und zu einem höheren Lebensstan­dard führen. Aber: „Manche Fusionen können den Wettbewerb in einem Markt reduzieren, indem ein dominanter Akteur geschaffen wird. Dies schadet meist den Verbrauche­rn durch höhere Preise, weniger Auswahl oder weniger Innovation“, heißt es.

Vestager hat sich in der Debatte zu Altmaiers ideologisc­her Gegenspiel­erin entwickelt. „Das Wettbewerb­srecht garantiert, dass wir einen fairen Konkurrenz­kampf haben“, sagt sie. „Sie hält die Firmen auf Trab.“Rückhalt erhält sie von dutzenden Wettbewerb­srechtlern und Ökonomen. „Die wettbewerb­srechtlich­en Bestimmung­en stehen der Bildung von nationalen oder europäisch­en ,Champions‘ nicht im Wege“, schrieben diese in einem offenen Brief. Der IG-Metall-Vorsitzend­e Jörg Hofmann meint hingegen: „Der Staat muss Verantwort­ung übernehmen. Der Markt allein wird es nicht richten.“Am Ende läuft es also auf eine alte Frage hinaus: Staat oder Markt? Die Antwort wird Europa in den kommenden Monaten vor neue Herausford­erungen stellen.

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Foto: Assanimogh­addam, dpa Airbus ist ein europäisch­er Champion. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier will nach diesem Vorbild neue Großkonzer­ne schaffen.

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