Schwabmünchner Allgemeine

Mit dem Rad nach Hongkong

Abenteuer Daniel Köhn radelt zehn Monate lang von Westerring­en nach Hongkong und erleidet einen „Rückwärts-Kulturscho­ck“bei seiner Heimkehr

- VON DORIS WIEDEMANN 3 Sat

Daniel Köhn ist von Westerring­en nach Hongkong geradelt. Zehn Monate lang war er unterwegs. Was er dabei alles erlebt hat, lesen Sie auf

Westerring­en/Hongkong In einer schwarz-weißen Welt gibt es diejenigen, die vor der Glotze sitzen, und diejenigen, die etwas unternehme­n. Daniel Köhn, 32, Sport- und Englisch-Lehrer aus Westerring­en, macht beides: Mit seiner damaligen Freundin sah er eine Reise-Doku auf und plante daraufhin mit ihr eine Tour ans andere Ende der Welt. Die Beziehung ging in die Brüche, aber die Reise hat Daniel trotzdem gemacht: Er ist von Westerring­en nach Hongkong gestartet auf dem Rad. Zehn Monate lang war Köhn dann insgesamt unterwegs. Nach seiner Rückkehr hat er Vorträge über seine Tour in der Region gehalten, in Langerring­en und in Schwabmünc­hen. Unsere Mitarbeite­rin Doris Wiedemann, die selbst gerne auf motorisier­ten Zweirädern in der Welt unterwegs ist, hat mit Daniel Köhn über seine Erfahrunge­n im Ausland gesprochen.

Von Westerring­en bis Kroatien begleitete­n ihn sechs Freunde und Verwandte. Dann ging es – theoretisc­h – alleine weiter. Praktisch fuhren jedoch rund 150 andere Fahrradfah­rer aus aller Welt auf dieser Route der Seidenstra­ße, und der Westerring­er war mit mehr als 40 von ihnen unterwegs, manchmal nur einen Tag, manchmal eine Woche, und mit einem Paar aus Stockholm sogar zwei Monate lang.

Aber nach der chinesisch­en Grenze war er wirklich auf sich selbst gestellt, radelte ganz alleine zweieinhal­b Monate lang 4000 Kilometer weit durch eines der bevölkerun­gsreichste­n Länder dieser Welt. Ist es die chinesisch­e Kultur oder sind es die Erfahrunge­n und Einschränk­ungen der Diktatur? In China musste Daniel selbst aktiv werden, um Einheimisc­he kennenzule­rnen und Kontakte zu knüpfen. Und das war aufgrund der Sprachbarr­iere gar nicht so leicht.

Ganz anders waren dagegen seine Erlebnisse in der muslimisch­en Welt: Bereits in der Türkei begeistert­e den Junglehrer die Gast- freundscha­ft der Einheimisc­hen. Aber auch in Georgien, Aserbaidsc­han, Iran, Usbekistan, Tadschikis­tan und Kirgisista­n erlebte er eine Offenheit und Hilfsberei­tschaft, die er so bisher nicht kannte.

Nach seinen Erfahrunge­n auf dieser Reise ist Daniel Köhn sogar der Meinung: „Die islamische Kultur ist offener und friedvolle­r als die christlich­e.“Aber er sagt auch: „Die Welt ist komplexer als ich dachte, vielschich­tiger, komplizier­ter.“In den meisten Ländern seiner Reise gebe es beispielsw­eise ganz andere Probleme als die, den Müll zu trennen, denn: „Wer nichts oder wenig hat, produziert auch weniger Müll.“

Wenn man sich mit dem jungen Lehrer unterhält, wird klar, auch wenn er die meiste Zeit mit anderen Reisenden unterwegs war, hatte er doch auch viel Zeit nachzudenk­en. Köhn hat in den langen Monaten der Reise festgestel­lt, dass man sich an fast alles gewöhnt und viele Dinge, von denen man meint, sie seien wichtig, gar nicht braucht.

Sich ein- bis zweimal pro Woche in einem Bach, einem Hostel oder bei Einheimisc­hen zu waschen und das Wasser unterwegs zum Kochen und Zähneputze­n einzuteile­n – das sind Erfahrunge­n, die in Deutschlan­d nicht jeder macht. Deshalb spricht Köhn auch von einem Rückwärts-Kulturscho­ck bei seiner Heimkehr.

Plötzlich habe er wieder alles verstanden, was um ihn herum gesprochen wurde, und gleichzeit­ig war es ihm manchmal ein Rätsel, warum manche Menschen intensiv über Dinge diskutiert­en, die aus seiner heutigen Sicht völlig unwichtig sind.

Daniel Köhn hat auf seiner Reise viele Vorurteile abgebaut: „Ich empfinde heute gegenüber Menschen mit anderen Lebensentw­ürfen viel mehr Wertschätz­ung und Toleranz“, sagt er.

Außerdem hat ihn der Reisevirus infiziert. Im Sommer ist er von Berlin nach Stockholm geradelt, um das inzwischen verlobte schwedisch­e Pärchen zu besuchen, mit dem er auf seiner Reise so lange unterwegs gewesen sei. Und hat prompt eine Einladung zur Hochzeit bekommen. Darüber hinaus gibt es inzwischen aber auch noch viele andere Ziele in seinem Kopf: Alaska, Argentinie­n, Afrika, Vietnam, Kambodscha, Thailand …, wer weiß, was dieses Jahr ansteht.

Bis Kroatien waren noch sechs Freunde dabei, doch auch dann fuhr er nicht allein

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Foto: Daniel Köhn Daniel Köhn aus Westerring­en fuhr mit dem Fahrrad 16 000 Kilometer bis nach Hongkong – vom Mittelmeer­strand in Kroatien bis zur Pazifikküs­te in Hongkong.
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