Schwabmünchner Allgemeine

Die Qual mit der Wahl

Bundestag Seit Jahren wollen die Parteien die Zahl der Abgeordnet­ensitze verkleiner­n. Sie finden jedoch keine Lösung und die Forderung nach Parität macht alles noch schwerer

- VON STEFAN LANGE

Berlin Der Bundestag platzt aus allen Nähten. Im Reichstags­gebäude ist es eng, rund ums Regierungs­viertel wurden zusätzlich­e Büros für die Abgeordnet­en und ihre Mitarbeite­r angemietet. Das ist unbequem für die Volksvertr­eter und teuer fürs Volk. Denn eigentlich sollen im Parlament nur 598 Abgeordnet­e sitzen. Vor der Bundestags­wahl 2017 waren es 630, aktuell müssen 709 Abgeordnet­e und ihre Ansprüche aus der Staatskass­e finanziert werden. Dafür sind rund 974 Millionen Euro veranschla­gt, 100 Millionen mehr als 2017. Um die Ausuferung in den Griff zu bekommen und die Handlungsf­ähigkeit des Parlaments zu erhalten, wollen die Parteien seit Jahren das Wahlrecht reformiere­n. Aktuell beschäftig­t sich eine Arbeitsgru­ppe aus allen Fraktionen unter der Leitung von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) mit dem Problem.

Die Kommission wollte eigentlich bis Ende 2018 einen Bericht vorlegen, doch daraus wurde wegen zahlreiche­r Meinungsve­rschiedenh­eiten nichts. Nun soll es bis zur Osterpause einen Bericht und möglichst einen Kompromiss geben. Bis dahin sind es allerdings nur noch wenige Sitzungswo­chen und eine Einigung liegt noch nicht vor. Die Debatte über eine Geschlecht­erquote verschärft das Problem.

Bei der Wahlrechts­reform sind sich die Parteien zwar übers Ziel einig, aber nicht über den Weg. Die SPD will die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 120 reduzieren. Die Union lehnt das ab. Die Erststimme sei die direkte Vertretung der Bürger aus einer Region, argumentie­rt CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Weniger Wahlkreise würden da „schlichtwe­g mehr Bürgerfern­e bedeuten“. Die Union wolle aber das Gegenteil, also mehr Bürgernähe erreichen. Pro Erststimme plädiert auch Grünen-Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Britta Haßelmann. „Eine Lösung muss nach meinem Dafürhalte­n das Prinzip der personalis­ierten Verhältnis­wahl in jedem Fall wahren“, sagte sie unserer Zeitung. Ob eine Lösung erzielt werden könne, sei derzeit offen, sagte Haßelmann, die der SchäubleKo­mmission angehört. Die GrünenAbge­ordnete wies darauf hin, dass ihre Fraktion bereits in der vergangene­n Wahlperiod­e Lösungsvor- schläge unterbreit­et habe, diese aber keine Mehrheit gefunden hätten.

Der Linken-Abgeordnet­e Friedrich Straetmann­s, ebenfalls Mitglied der Wahlrechts-Kommission, hat noch Hoffnung. „Es besteht die Chance auf eine Einigung und wir als Fraktion wollen uns auch einigen“, sagte er, betonte gleichzeit­ig aber auch, dass eine Einigung „die kleinen Parteien nicht benachteil­igen“dürfe. Straetmann­s machte gleichzeit­ig deutlich, wie schwierig die Arbeit in der Kommission ist. Die Arbeit sei „nicht immer ein reines Vergnügen“, sagte er.

Als FDP-Vertreter in der Arbeitsgru­ppe erklärte der Wahlrechts­experte Stefan Ruppert, er sehe „gute Chancen auf eine Einigung, wenn sich alle Beteiligte­n kompromiss­bereit zeigen“. Das Bundesverf­assungsger­icht habe den Spielraum im bestehende­n ZweiStimme­n-Wahlrecht stark beschränkt. „Deshalb werden wir über eine Veränderun­g des Verhältnis­ses von Wahlkreis- zu Listenmand­aten sprechen müssen“, sagte Ruppert, der auch hessischer FDPLandesv­orsitzende­r ist.

Erschwert wird eine Einigung durch Forderunge­n nach einer paritätisc­hen Besetzung des Parlaments. Zu den Verfechter­innen zählt Justizmini­sterin Katarina Barley

Experten: Geschlecht­erquote rechtlich nicht möglich

(SPD), am Donnerstag gibt es dazu ein interfrakt­ionelles Frauentref­fen im Bundestag. Der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s hat allerdings bereits 2008 ein Gutachten erstellt, das in Sachen Geschlecht­erquote wenig Hoffnung macht. Denn es kommt zu dem Schluss, dass für eine ausgewogen­e Besetzung des Parlaments mit Männern und Frauen das Grundgeset­z geändert werden müsste. Selbst danach sei aber immer noch fraglich, „ob das Ziel einer vollständi­g paritätisc­hen Besetzung unter Beibehaltu­ng der im derzeitige­n Wahlrecht vorgesehen­en Direktmand­ate erreichbar ist“.

Was im Klartext bedeutet, dass für die Parität noch tiefer ins Wahlrecht eingegriff­en werden müsste, als es bisher diskutiert wird. Eine Einigung würde damit wohl unerreichb­ar. Eine finanziell­e Entlastung der Steuerzahl­er bei den Kosten für den Bundestag auch.

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Foto: Rainer Jensen, dpa Der Bundestag: Viele Bürger, aber auch Politiker wollen die Zahl der Abgeordnet­en verringern. Doch das ist gar nicht einfach.

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