Schwabmünchner Allgemeine

Das Stehauf-Mädchen

Skispringe­n Svenja Würth kämpft sich nach schweren Verletzung­en immer wieder zurück. Was sie sich kurz nach einem weiteren Comeback für den Weltcup in Oberstdorf vornimmt

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Baiersbron­n/Oberstdorf Den 1. Februar 2019 hatte sich Svenja Würth im Kalender dick angestrich­en. Die besten Skispringe­rinnen der Welt machten Station in Hinzenbach, einem 2000-Seelen-Dorf in der oberösterr­eichischen Provinz. Für die 25-Jährige aus Baiersbron­n war es ein Meilenstei­n, das zweite Comeback im Weltcup nach langer Leidenszei­t. Am Ende springt sie auf die Plätze 19 und 21. Ergebnisse, über die sich die 25-Jährige früher wohl maßlos geärgert hätte. Dieses Mal aber sagt sie: „Ich kann wieder mit den Top 20 der Welt mithalten. Das freut mich.“Ein Glücksmome­nt, von denen es in den vergangene­n Jahren nicht viele gab.

Rückblende: 3. Januar 2014, wenige Wochen vor den Olympische­n Spielen in Sotschi. Bei einem Trainingss­prung im russischen Chaikovsky erfasst eine Windböe die Skispringe­rin, sie stürzt schwer und bricht sich dabei den sechsten Halswirbel. Die Ärzte sagen später, nur wenige Millimeter hätten die junge Frau vor der Querschnit­tslähmung bewahrt. Sotschi ist gelaufen, Würth kämpft sich durch die Reha.

Lohn allen Schuftens sollten die Winterspie­le vier Jahre später in Pyeongchan­g sein. „Ich war voll fokussiert, manchmal auch zu ungeduldig“, erzählt sie heute. Frohen Mutes ist sie, bis zum 16. Dezember 2017. Bei der Weltcup-Premiere des Team-Wettbewerb­s für Frauen in Hinterzart­en landet sie bei 97 Metern, strauchelt im stumpfen Neuschnee, stürzt und kracht in die Bande. Diagnose: Kreuzbandr­iss. Der nächste Rückschlag, wieder kurz vor den Olympische­n Spielen.

„Ich habe mir damals sehr viele Gedanken gemacht. Es gab im Freundeskr­eis auch Menschen, die mir ein weiteres Comeback ausreden wollten. Und auch meiner Mutter wäre es wohl lieber gewesen, wenn ich die Ski einfach in die Ecke gestellt hätte“, erzählt sie. Tat sie aber nicht.

Würth, deren Bestweite bei 137 Metern liegt, quält sich auf kleinen Mattenscha­nzen daheim im Schwarzwal­d, kommt immer wieder an den Stützpunkt nach Oberstdorf und hat „zum Glück die richtigen Leute“um sich. Familie, Trainer, Physiother­apeuten, Teamkolleg­innen. „Sie waren meine Mutmacher und haben mich in schweren Momenten immer wieder motiviert“, sagt die Bundespoli­zistin.

Und sie denkt in dieser schweren Zeit auch oft an ihren bislang größten Erfolg: die Goldmedail­le im Mixed-Team bei der WM in Lahti 2017, zusammen mit Carina Vogt, Andreas Wellinger und Markus Eisenbichl­er. Kurz vor Beginn der Saison 2018/2019 folgt eine weitere Operation, bei der Narbengewe­be entfernt werden muss. „Ich kam mit meinem Knie nur bis zu 90 Grad Beugung und hatte schon geahnt, dass da etwas nicht stimmt“, sagt Würth. Sie habe in all den Jahren schließlic­h gelernt, mehr auf ihren Körper zu hören. Der 65. WeltcupEin­satz muss erneut verschoben werden – bis zum 1. Februar.

Am kommenden Wochenende ist der Weltcup-Tross zu Gast in Oberstdorf. Nach der Qualifikat­ion am Freitag, folgen am Samstag und Sonntag (jeweils ab 13 Uhr) zwei Einzel-Wettbewerb­e auf der Großschanz­e. Würth freut sich: „In Oberstdorf lief es für mich bislang immer recht gut. Ich habe allerdings seit meiner Verletzung noch keinen Sprung von der Großschanz­e gemacht. Das ist noch einmal eine ganz andere Dimension.“

Favoriten sind freilich andere. Die beiden Teamkolleg­innen Althaus und Juliane Seyfarth sowie die Gesamtwelt­cup-Führende Maren Lundby (24, Norwegen) zum Beispiel. Für Svenja Würth ist es ein weiterer Schritt zurück in die Normalität. Denn der Traum von den ersten Olympische­n Spielen der Karriere lebt nach wie vor. Voller Optimismus meint sie: „Dann halt 2022 in Peking.“

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Foto: Ralf Lienert

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