Wem hilft die neue Grundrente wirklich?
Soziales Die Koalition will den Streit um die Reform entschärfen. Doch nun offenbart eine Studie eine Ost-West-Schieflage
Berlin Ob die Pommes beim Koalitionsausschuss rot-weiß serviert wurden, also mit Majo und Ketchup, ist nicht überliefert. Fest steht aber, dass es beim ersten Treffen der schwarz-roten Koalition mit den neuen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder Pommes gab, und zwar mit Hähnchen. Symbolisch wurden außerdem Zuckerbrot und Peitsche hervorgeholt, denn die Akteure, neben Söder und AKK noch Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chefin Andrea Nahles, hatten sich zwar demonstrativ lieb, teilten wegen der Grundrente aber ordentlich aus.
Die Union sei bei der Grundrente davon überzeugt, „dass eine Lösung möglich ist“, sagte Söder. Der bayerische Ministerpräsident und CSUChef betonte gleichzeitig aber auch, dass sich diese Rente am Koalitionsvertrag orientieren müsse. Söder zog damit den Graben zwischen Union und SPD ganz tief, denn der Koalitionsvertrag sieht zwingend vor, dass zur Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung, Söder nannte sie „Gerechtigkeitsprüfung“, gehört. Die SPD will die Grundrente jedoch ohne Bedürftigkeitsprüfung auszahlen. Das haben Nahles und ihre Arbeitsminister Hubertus Heil bisher überall lautstark verkündet, und die Frage ist nun, wie beide Seiten eine Einigung finden können. Auf ein Entgegenkommen der Union und einen Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung darf die SPD nicht hoffen. Denn wie Söder betonte auch Kramp-Karrenbauer die Notwendigkeit einer Prüfung, damit es bei der Grundrente gerecht zugeht.
Wobei das mit der Gerechtigkeit ohnehin so eine Sache ist, denn nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft bekämen in Westdeutschland 1,2 Millionen Rentnerinnen die Aufstockung. Rund 2,5 Millionen würden leer ausgehen, weil sie nicht genug der geforderten 35 Beitragsjahre haben. In Ostdeutschland würden 83 Prozent der 690000 Rentnerinnen profitieren. Bei den Männern bekämen laut IW Köln 56 Prozent der infrage kommenden 1,2 Millionen westdeutschen Rentner einen Zuschuss, in Ostdeutschland läge der Anteil bei 91 Prozent beziehungsweise 300000 Rentnern.
Auch vor diesem Hintergrund scheint es fraglich zu sein, ob die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung jemals kommt. Söder forderte, die SPD könne ja „die nächsten Wochen noch einmal als Denkpause nutzen“.
Ein Ausweg scheint denkbar, denn Söder schlug vor, über die Höhe der Freibeträge und des Schonvermögens zu reden. Würden deren Grenzen erhöht, käme das zwar nicht einem Wegfall, aber doch zumindest einer Aufweichung der Bedürftigkeitsprüfung gleich. Ob die SPD das als gesichtswahrend akzeptiert, blieb nach dem Koalitionsausschuss allerdings völlig offen.
Der CSU-Abgeordnete Max Straubinger bringt am Donnerstagabend im Bundestag seine Frau für die Notwendigkeit einer Bedürftigkeitsprüfung in Stellung. Sie habe nach 36 Versicherungsjahren derzeit einen Rentenanspruch von gut 500 Euro, der „aufgrund der Heil’schen Eingebung auf 900 und noch mehr Euro angehoben“würde. Straubinger sieht schon die Schlagzeilen über die Frau des Abgeordneten, deren Rente „so kräftig“angehoben wird.
Zurück zum Koalitionsausschuss. Nicht nur die Grundrente birgt Zündstoff für künftige Treffen, denn Söder schnürte überraschend
Söder beharrt auf einer „Gerechtigkeitsprüfung“
den mühsam ausgehandelten Kohlekompromiss wieder auf. Es könne nicht sein, dass am Ende Geld mit der Gießkanne verteilt werde, es aber für den Süden keine Antwort bei Versorgungs- und Preissicherheit gebe, kritisierte er mit Blick auf die Milliarden, die in die ostdeutschen Kohleländer gepumpt werden sollen. Es dürfe auf keinen Fall „zwei Preiszonen“und einen Standortnachteil für den Süden geben. „Deswegen werden wir uns da intensiv beratschlagen“, drohte Söder und schlug außerdem vor, wieder mehr Gaskraftwerke ans Netz zu nehmen.