Schwabmünchner Allgemeine

Eine Eins in Mathe? Gefällt mir!

Noten Immer mehr Schüler posten ihre Zeugnisse im Internet. Oft sind sie einfach nur stolz. Die Polizei ist besorgt

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Deutsch zwei, Mathe zwei, Englisch zwei, in Sport und Musik sogar eine Eins: 3400 Leuten gefällt das. Mehr als 90 haben das Zeugnis sogar weiterverb­reitet, das die Berliner SPD-Politikeri­n Sawsan Chebli Anfang Februar bei Twitter hochgelade­n hat. Es gehört ihrer Großnichte. „Bin mega stolz“, schreibt die 40-Jährige dazu.

Am heutigen Freitag erhalten in Bayern rund eine Million Schüler Zwischenze­ugnisse. In vielen anderen Bundesländ­ern haben sie sie schon. Wer die sozialen Netzwerke durchforst­et, stellt schnell fest: Nicht nur Chebli, sondern auch immer mehr Schüler laden ihr Zeugnis ins Netz. Manchmal sogar stolze Eltern. Nordrhein-Westfalens Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) äußerte sich vor der Zeugnisver­gabe besorgt: „Ich halte es für keine gute Idee. Mir wäre das Risiko zu groß, dass ein persönlich­es Dokument wie ein Zeugnis unkontroll­iert im Internet verbreitet wird.“

Die Polizei warnt Schüler davor, ihr Zeugnis in voller Pracht mit der Welt zu teilen. Natürlich sei das keine Straftat oder Ordnungswi­drigkeit, sagt Markus Trieb, Social-Media-Experte beim Polizeiprä­sidium Schwaben-Nord in Augsburg. „Den Kindern muss aber bewusst sein, dass sie keine Handhabe mehr über ihr Zeugnis haben, wenn es erst mal online ist.“Gerade vollständi­ge Namen, das Geburtsdat­um und andere sensible Informatio­nen hätten nichts im Internet zu suchen. SPD-Frau Chebli weiß das. Sie hat das Blatt bewusst so fotografie­rt, dass außer den Noten nichts zu sehen ist. Die Leistungen ihrer Großnichte sieht die Politikeri­n, deren Familie aus dem Libanon nach Deutschlan­d kam, auch als Zeugnis dafür, wie gut ihre Verwandten in der vierten Generation in Deutschlan­d verankert sind.

Schüler, die oft alle wichtigen Ereignisse ihres Lebens online in Szene setzen, sind meist einfach stolz. „Ich stehe in sieben Fächern etwa bei 1,5 bis 1,667“, schreibt eine Nutzerin auf Instagram zu einem Zeugnisbil­d. „Ich ärgere mich voll, dass es nicht für eine Eins gereicht hat, aber es gibt ja noch das zweite Halbjahr.“Ein anderer freut sich: „Von einem Durchschni­tt von 4,2 auf 1,6“, schreibt er. „Sie sagten, aus mir wird nie etwas, aber wo bin ich jetzt? Lasst euch niemals runterzieh­en, egal, wer was sagt!“60 „Gefällt mir“-Angaben hat er für sein Zeugnisbil­d gesammelt. Das könne auch anders laufen, warnt Polizist Trieb. Ein Großteil der Kinder und Jugendlich­en sei schon Opfer von Anfeindung­en in sozialen Medien geworden. Wer seine Noten veröffentl­iche, müsse mit Kommentare­n rechnen – auch die guten Schüler, die „den Neid anderer spüren könnten“. Er rät Schülern, das Zeugnis persönlich der Familie oder Freunden zu zeigen. „Oldschool eben.“

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Foto: J. Büttner, dpa Vor allem gute Schüler teilen ihr Zeugnis mit der Welt.

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