Schwabmünchner Allgemeine

Der „Lechhauser Marsch“bleibt verscholle­n

Volksmusik Der Bezirk Schwaben pflegt musikalisc­he Schätze aus der Vergangenh­eit. Am Sonntag sind sie in einem Konzert zu hören. Doch Fachberate­r Christophe­r Lambertz hat noch viel Forschungs­arbeit vor sich

- VON OLIVER WOLFF

Volksmusik, nein nicht der immer mehr populär werdende deutschspr­achige Schlagerpo­p, sondern die traditione­lle Volksmusik erlebt seit einigen Jahren in der Region eine Renaissanc­e – auch wenn bei weitem nicht das Massenpubl­ikum der besagten volkstümli­chen Musik erreicht wird. Nicht zuletzt ist es auch ein Verdienst des Bezirks Schwaben, genauer gesagt der „Forschungs­und Beratungss­telle für Volksmusik“, dass dieses historisch­e und teilweise wenig bekannte Vermächtni­s bewahrt wird. Am kommenden Sonntag präsentier­en Volksmusik­gruppen im Gögginger Parktheate­r Kurhaus anlässlich des 150. Geburtstag­es des Augsburger Kapellmeis­ters Wendelin Massanari traditione­lle Lieder und Weisen. Im Vorgespräc­h erzählt Christoph Lambertz vom Bezirk Schwaben über die Anfänge der Volksmusik­pflege und warum es eigentlich ein Glücksfall war, dass Massanaris Musik heute noch gespielt werden kann.

Bereits die Wittelsbac­her hätten die bewusste Brauchtums­pflege initiiert, auch um das Zugehörigk­eitsgefühl der Untertanen zum neu gegründete­n Königreich zu stärken, Lambertz, studierter Musikethno­loge und selbst Volksmusik­interpret mit Klarinette und Gesang. Feste wie das Münchner Oktoberfes­t oder das Gäubodenfe­st und die Trachtenpf­lege waren Ideen aus dieser Zeit. Als die Tradition des Volksmusik-Brauchtums immer mehr in Vergessenh­eit zu geraten schien, wurde im Jahr 1923 der Kiem Pauli ins bayerische Oberland mit Rad und Klappzithe­r geschickt, um die örtlichen Volksliede­r in Wort und Schrift festzuhalt­en, erzählt Christoph Lambertz. Auf bayerische­r Seite nahm man so den Österreich­er Josef Pommer zum Vorbild, der dort schon etwa 40 Jahre zuvor mit der Volksmusik­archivieru­ng begann. Bereits 1929 konnte Kiem Pauli seine Volksmusik­veranstalt­ungen im damals neuen Medium Radio der breiten Masse zugänglich machen – und auch heute noch hat die Volksmusik in den Programmen des Bayerische­n Rundfunks ihren festen Platz.

Doch nun zur Geschichte um Massanari: Erst im Jahr 1984 sei man im Rahmen des Blasmusikw­ettbewerbs „Gschpielt und Blosa“, den unsere Zeitung zusammen mit der Allgäuer Zeitung veranstalt­ete, auf den Namen Massanari gestoßen, so Lambertz. Den Aufruf der die Schränke nach historisch­en Noten zu durchforst­en, befolgten zahlreiche Leser und sorgten so mit der neu entdeckten regionalen Bedeutung in der Volksmusik­lierklärt teratur für einen Paradigmen­wechsel. Christoph Lambertz schwärmt über den neu entdeckten Musikschat­z, dessen Gesamtumfa­ng immer noch nicht abzusehen ist: „Erst vor zwei Wochen drückte mir eine nette Frau aus Lauterbach eine Tüte voll handgeschr­iebener Noten aus den 20er Jahren fürs Archiv in die Hand.“Bei der Sichtung sei dann eine siebenstim­mige Quadrille, also ein Française-Tanz, von Wendelin Massanari zum Vorschein gekommen.

Jahrzehnte­lang seien die Aufzeichnu­ngen Massanaris bedeutungs­los in den Schränken und auf den Speichern verstaubt und noch heute wisse man recht wenig über ihn, sagt Lambertz. Nur so viel sei bekannt: Wendelin Massanaris Vater habe in Augsburg ein Malergesch­äft links der Wertach gehabt, Sohn Wendelin soll seine musikalisc­he Ausbildung bei den Musikcorps des dritten Infanterie­regiments Prinz Karls bekommen haben. Nach dem Ende des Militärdie­nstes habe der junge Musiker eine eigene Blaskapell­e gegründet. Nach Angaben von Christophe­r Lambertz ein in der Region sehr bekanntes Ensemble. Die Plätze in der Kapelle seien auf jeden Fall heiß begehrt gewesen, wohl auch, um überZeitun­gen, haupt an die Noten zu kommen, denn Noten habe man in der damaligen Zeit nicht einfach so kopieren können, stellt der Volksmusik­Fachmann des Bezirks dar.

Einige Stücke sind bis heute gut erhalten, zum Beispiel der „Bobinger Achter“, andere Noten scheinen unwiederbr­inglich verscholle­n, beispielsw­eise der namentlich erwähnte „Lechhauser Marsch“. Und nicht nur das: Vor ein paar Jahren kam der Hinweis, dass eine Enkelin Wendelin Massanaris in den USA leben soll; leider kam der Kontakt nie zustande. Lambertz gesteht ein, er habe mit seinen Kollegen noch viel Forschungs­arbeit vor sich.

Für den Einblick in ihre Arbeit organisier­en Lambertz und sein Team seit acht Jahren das Konzert „Schätze der Volksmusik“im Parktheate­r mit regionalen und überregion­alen Ensembles. Am Sonntagabe­nd spielen unter anderem die Gruppen Familienmu­sik Althaus aus Fischen im Allgäu und die Gögginger Tanzlmusik diese Volksmusik­schätze, von Ziachmusik über Massanari bis hin zu Allgäuer Liedern und Tanzweisen, von Augsburger Blasmusik bis zum Jodler. BR-Sprecher und Volksmusik-Koryphäe Johannes Hitzelberg­er wird durch das Programm führen.

Christoph Lambertz ist Fachberate­r für Volksmusik des Bezirks Schwaben und tritt selbst als Klarinetti­st und Sänger auf.

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Foto: Nik Schölzel

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