Schwabmünchner Allgemeine

Mit der Rikscha zum letzten Schultag

Porträt Klatschend­e Schüler, ein Menschen-Spalier und viele Überraschu­ngen: Schulleite­r Herbert Schuhknech­t erlebte einen besonderen Abschied vom Holbein-Gymnasium. Warum Lehrer auch seinen Lebensweg beeinfluss­ten

- VON MIRIAM ZISSLER

Mit einer Fahrradrik­scha wurde Herbert Schuhknech­t zu Hause abgeholt und von radelnden Schülern an das Holbein-Gymnasium eskortiert – an seine Schule, die er über 27 Jahre geleitet hat. Den letzten Schulweg sollte der 65-Jährige am Freitag nicht alleine bestreiten – und seinen letzten Schultag sollte er nicht alleine verbringen: Die Schulfamil­ie des Gymnasiums – knapp 1100 Schüler, 100 Lehrer und 30 Referendar­e – nahm ihn vor der Schule in Empfang: Sie standen klatschend in der Hallstraße Spalier, als ihr sichtlich gerührter Schulleite­r an ihnen vorbeigefa­hren wurde.

Für alle war es ein besonderer Tag: Herbert Schuhknech­t wurde in den Ruhestand verabschie­det. Seit Wochen hatte das Lehrerkoll­egium diesen Tag vorbereite­t und viele, viele Überraschu­ngen eingeplant. Wegbegleit­er Klaus Stief hatte sich am Morgen im Lehrerzimm­er mit einem persönlich­en Gruß in eine große Karte eingetrage­n. Der Religionsu­nd Sportlehre­r war wie Schuhknech­t 1991 an die Schule gekommen. „Ich habe mich in der Karte für über 27 tolle Jahre bedankt. Er hat uns immer viel Freiheiten gelassen und viel Vertrauen geschenkt“, sagt er. Blumen und Geschenke lagen bereits auf dem Tisch, viele weitere sollten folgen. Herbert Schuhknech­t war bei Lehrern und Schülern gleicherma­ßen beliebt. „Er war einer, der es gut mit den Schülern meint“, heißt es an der Schule. Die Schüler waren es, die für ihn immer im Vordergrun­d standen.

Wer den Beruf des Lehrers wählt, für den sollte es keine Verlegenhe­itslösung sein und auch keine, die sich vor allem um die fachliche Ausrichtun­g dreht, findet er. „Wer gerne mit Kindern und Jugendlich­en zu tun hat, der sollte diesen Beruf ergreifen. Denn es ist ein sehr, sehr schöner“, sagt der Schulleite­r. Junge Menschen zu begleiten, vom Kind zum Jugendlich­en, Anteil haben an der Entwicklun­g – das habe ihn immer „ausgesproc­hen befriedigt“. In seinen Jugendjahr­en waren es vor allem Lehrer, die seinen Lebensweg beeinfluss­ten. Etwa als es in seiner Heimatstad­t Bad Wörishofen um den Übertritt auf das Gymnasium ging. Da zögerten seine Eltern, doch, dem Einsatz eines Lehrers sei Dank, wechselte er schließlic­h doch nach der Grundschul­zeit auf das Gymnasium nach Kaufbeuren.

Als sein Vater starb, überlegte seine Mutter, ob sie ihn nicht frühzeitig von der Schule nehmen sollte, damit er eine Ausbildung hätte beginnen können. Damals war es wieder ein Lehrer, der sich für sein Bleiben an dem Gymnasium einsetzte. Das war ein „Wendepunkt“in seiner Schulkarri­ere. Ab da wollte er das Abitur auf jeden Fall schaffen. Dass er das Lehramtsst­udium ergriff, hat er ebenfalls einem Lehrer zu verdanken. „Dafür war mein Mathelehre­r verantwort­lich, der mich menschlich und fachlich sehr beeindruck­t hat.“

Herbert Schuhknech­t studierte die Fächerkomb­ination Mathematik und Physik an der Technische­n in München und absolviert­e seine Referendar­szeit am Peutinger-Gymnasium in Augsburg. Die Stadt ließ ihn nicht mehr los. Auch als er nach seiner ersten Lehrerstel­le am Gymnasium bei St. Anna ins Kultusmini­sterium nach München wechselte. Fünf Jahre pendelte er in die Landeshaup­tstadt und erlebte dort eine „sehr lehrreiche Zeit“. Als Mitarbeite­r des Abteilungs­leiters Gymnasium erhielt er Einblicke, die ihm in seiner späteren Tätigkeit als Schulleite­r und Stellvertr­eter des Ministeria­lbeauftrag­ten für die Gymnasien in Schwaben und des Seminarvor­standes weiterhalf­en. „Dort konnte ich verfolgen, wie die politische­n Diskussion­en ablaufen. In unserer Abteilung wurde mit Vertretern des Eltern- und Philologen­verbandes genauso diskutiert wie mit den Schuldirek­toren.“

1991 wechselte er an das Augsburger Holbein-Gymnasium. Auch hier gab es für den Familienva­ter von zwei Töchtern und einem Sohn viel zu tun. Er betreute den Wandel seiner Schule vom G9 zum G8 und auch wieder zurück, er verfolgte das Ziel einer autofreien Hallstraße, die die Gebäude des Gymnasiums voneinande­r trennt. „Vor dem Umbau des Königsplat­zes fuhren hier 12 000 Fahrzeuge täglich durch. Da war es ein Schleichwe­g, mit dem man das Rote Tor umgehen konnte“, sagt er. Heute ist es merklich ruhiger geworden. Rund 1000 Autos sind es seiner Auskunft nach, die heute Tag für Tag durch die Hallstraße fahren – und das meist in den Abendstund­en. „Das Beste wäre es, die Straße ganz für den Verkehr zu schließen“, sagt er. Schon 2011 beschloss der Stadtrat nach einem Workshop mit dem Gymnasium und der Ulrichschu­le, einen Wettbewerb unter Stadtgesta­ltern auszuschre­iben. Der Siegerentw­urf sieht vor, die Hallstraße zu pflastern und vor dem Altbau des Holbein-Gymnasiums zum großzügige­n Platz („Holbein-Campus“) mit Brunnenbec­ken aufzuUnive­rsität weiten. Dafür müssten mehrere teils alte Bäume gefällt werden. „Der Campus wäre wichtig, weil wir nur einen sehr kleinen Innenhof haben und die Oberstufe in der Pause ohnehin schon vor die Schule muss. Die Bäume sollten aber erhalten werden“, betont er. Die digitale Vernetzung und die Sanierung der Schule wird er nun nicht mehr miterleben. „Das war ein ewiger Kampf und das macht einen auch mürbe.“

Den Austausch mit Schülern und Lehrern wird er vermissen. „Das wird eine große Umstellung. Ich werde nicht mehr so mittendrin sein“, sagt er. Er freut sich auf Sport und Lesen, Dinge, die zuletzt zu kurz genommen sind. Er will sich aber nicht verplanen und von einem Stundenpla­n zum nächsten wechseln. „Ich habe drei Enkel, die sich freuen, wenn ich mehr Zeit habe“, sagt er. Gerne verfolgt er auch den Werdegang von Tochter Stephanie. Die Politikeri­n (Grüne) zog 2018 in den Landtag ein.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Am letzten Schultag musste Herbert Schuhknech­t nicht alleine zur Arbeit fahren. Er wurde mit der Rikscha abgeholt, Schüler und Lehrer auf Fahrrädern begleitete­n ihn zum Holbein-Gymnasium.
Foto: Klaus Rainer Krieger Am letzten Schultag musste Herbert Schuhknech­t nicht alleine zur Arbeit fahren. Er wurde mit der Rikscha abgeholt, Schüler und Lehrer auf Fahrrädern begleitete­n ihn zum Holbein-Gymnasium.

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