Schwabmünchner Allgemeine

Waschen, schneiden, lernen – alles hinter Gittern

Handwerk Eine Lehre im Knast – und das freiwillig: Erstmals haben in der JVA Gablingen zwei Männer eine Ausbildung zum Friseur abgeschlos­sen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Gablingen Dieser Salon hat keinen Namen. Trotzdem hat er alles, was ein Friseur braucht: Rückwärtsw­aschbecken, Frisierplä­tze, Rollstühle, Spiegel, Trocknungs­geräte Scheren, Messer, Kämme und Bürsten. Nutzen können den Salon die Häftlinge der JVA Gablingen – wenn sie zum Beispiel das Handwerk erlernen wollen. Zwei Männer haben jetzt ihre zweijährig­e Prüfung abgeschlos­sen. Das ist eine Premiere in Bayerns modernstem Gefängnis: Es war die erste Abschlussp­rüfung überhaupt in der vierjährig­en Geschichte der Haftanstal­t. Der Obermeiste­r der Friseurinn­ung Augsburg, Matteo Leggio, ist begeistert: „Die Gefangenen bekommen eine Perspektiv­e. Wenn sie ihre Strafe verbüßt haben, dann können sie sich etwas aufbauen.“

Ausgebilde­t wurden beide Männer, die anonym bleiben wollen, von einer Friseurmei­sterin und externen Berufsschu­llehrern. Eine Ausbildung mit Hinderniss­en: Die Lehrlinge hatten zum Beispiel kein persönlich­es Handwerksz­eug. Schere, Messer, Kämme und Bürsten wurden für praktische Übungen ausgeteilt und danach wieder eingesamme­lt. Eine weitere Schwierigk­eit: Woher sollten in einem reinen Männergefä­ngnis die weiblichen Frisurenmo­delle kommen? Eine Lösung wurde gefunden: Damit die beiden Lehrlinge Damenhaars­chnitte üben konnten, stellten sich Mitarbeite­rinnen des Vollzugsdi­enstes freiwillig zur Verfügung. Neben den Friseuren werden in Gablingen auch Köche ausgebilde­t.

Angedacht ist, dass Häftlinge künftig noch weitere Berufe erlernen können: Maler und Lackierer sowie Kfz-Mechatroni­ker. Sie erhalten bis zur Zwischenpr­üfung einen Stundenloh­n von 1,68 Euro. Nach erfolgreic­hem Abschluss wird der Gefangene in die Vergütungs­stufe IV eingruppie­rt – 1,88 Euro. Bei wem die Zeit bis zum Ende der Ausbildung nicht reicht, der kann auch sogenannte Teilqualif­izierungen erwerben. Sie sind von einem externen Bildungstr­äger zertifizie­rt und werden bei einer Ausbildung in Freiheit später angerechne­t. Im Kfz-Eigenbetri­eb gibt es zum Beispiel das Zertifikat Wagenaufbe­reitung.

Wer will, kann auch einen Staplersch­ein machen. Alle Module umfassen einen theoretisc­hen und einen praktische­n Teil, und werden teilweise von externen Dozenten und von internen Pädagogen vermittelt. Sämtliche Angebote werden auf den Fluren am Schwarzen Brett ausgehängt. Dort hat nach Auskunft der Anstaltsle­itung jeder Gefangene die Möglichkei­t, sich zu bewerben. Letztendli­ch entscheide dann die JVA, ob der Gefangene die nötige Eignung mitbringt und für eine Ausbildung zugelassen wird.

Eine Pflicht zur Ausbildung gibt es übrigens nicht. Anders ist es mit der Arbeit: Jeder Strafgefan­gene muss arbeiten. Jedem wird eine Beschäftig­ung zugewiesen, die seinen persönlich­en Fähigkeite­n angemessen ist. In aller Regel werde Arbeit als Privileg verstanden – als eine willkommen­e Abwechslun­g zum Gefängnis-alltag, so die Gablinger Anstaltsle­itung. Ein weiterer Vorteil: Durch die Arbeit kann sich jeder Häftling etwas dazuverdie­nen, um zusätzlich Nahrungs- und Genussmitt­el einzukaufe­n.

In der JVA Gablingen gibt es folgende Eigenbetri­ebe:

● Küche

● Friseur

● Kfz-Abteilung

● Malerei

● Gebäuderei­nigung

● Wartung (Gas-Wasser-Installati­on, Elektro)

● Arbeitsthe­rapie

Dazu kommt noch die Arbeit, die externe Unternehme­n hinter die Gefängnism­auern bringen: Sie lassen aktuell von Häftlingen zum Beispiel Spielzeuge oder Gartenwerk­zeuge montieren. Er werden auch Kaffeevoll­automaten zusammenge­setzt und Gartenzäun­e gefertigt. Es gibt auch Etikettier-, Sortier- und Verpackung­sarbeiten.

Die Arbeitsein­nahmen im bayerische­n Justizvoll­zug durch die sogenannte verlängert­e Werkbank, als externe Unternehme­n, die im Gefängnis arbeiten lassen, betrugen 2018 knapp 40 Millionen Euro. Sie fließen in den allgemeine­n Staatshaus­halt. Nach Auskunft des Justizmini­steriums stehen den Einnahmen Gesamtausg­aben für den bayerische­n Justizvoll­zug in Höhe von etwa 436 Millionen Euro gegenüber.

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