Schwabmünchner Allgemeine

Worauf die Deutschen am stolzesten sind

Neun von zehn Bürgern denken positiv über nationale Errungensc­haften. Internatio­nale Forscher zeigen interessan­te Unterschie­de auf

- VON MICHAEL POHL

Berlin Schwarz, Rot, Gold: Heute genau vor hundert Jahren beschloss die Nationalve­rsammlung der Weimarer Republik die Farben der heutigen deutschen Flagge. Doch die antidemokr­atischen Nationalis­ten hassten sie: Als „Schwarz, Rot, Senf“schmähten sie die Nazis. Denn es waren die Farben vor allem der demokratis­chen, liberalen, bürgerlich­en Kräfte, die gegen Fürstenwil­lkür aufstanden und bei der Revolution 1848 das Kampflied „Pulver ist schwarz, Blut ist rot, golden flackert die Flamme“sangen. Nicht erst seit der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2006 verbindet man mit den Nationalfa­rben auch einen aufgeklärt­en Patriotism­us. Doch wie stolz sind die Deutschen auf ihr Land?

Das hat jetzt die Stiftung für offene Gesellscha­ften des amerikanis­chen Milliardär­s George Soros untersucht. Laut der Studie des „Open Society European Policy Institute“, die am Dienstag in Berlin vorgestell­t wird und unserer Zeitung exklusiv vorliegt, sind 88 Prozent der Bundesbürg­er auf mindestens einen Aspekt der nationalen Identität Deutschlan­ds ausdrückli­ch „stolz“. Nur zwölf Prozent der über 1000 Befragten erklärten in der Umfrage des internatio­nalen Meinungsfo­rschungsin­stituts Lightspeed, sie seien „überhaupt nicht stolz“.

Interessan­t ist dabei, auf was die Befürworte­r stolz sind. Am meisten nannten sie das Grundgeset­z: Mit 38 Prozent liegt es unabhängig vom Bildungsgr­ad an erster Stelle, gefolgt vom starken deutschen Sozialstaa­t und dem kulturelle­n Erbe Deutschlan­ds mit jeweils 30 Prozent. Danach kommen auf die Frage „Auf was sind Sie als Deutscher am meisten stolz?“als Antworten die Wirtschaft­skraft mit 24 Prozent und die Führungsro­lle bei technische­m Fortschrit­t mit 20 Prozent. Stolz sind 15 Prozent der Bundesbürg­er darauf, Treiber der europäisch­en Integratio­n zu sein, und fast ebenso viele sind stolz auf den Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte. 13 Prozent nennen zudem die Toleranz der Deutschen gegenüber Zuwanderer­n. Neun Prozent sind stolz darauf, dass Deutschlan­d inzwischen „Anführer der freien Welt“sei. Insgesamt konnten die Befragten höchstens drei Merkmale nennen.

„Es ist bemerkensw­ert, dass ein fest verankerte­s Modell der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng von allen Schichten in der Bevölkerun­g als am wichtigste­n erachtet wird, wenn es um die Identität Deutschlan­ds geht“, sagt der Forscher Jan Eichhorn von der Berliner Denkfabrik „d-part“, die die Studie gemeinsam mit der Soros-Stiftung erstellt hat. Das Bekenntnis zum Grundgeset­z und zum Sozialstaa­t ist

Die Bayern liegen nur im Mittelfeld

dabei im Westen ausgeprägt­er als in Ostdeutsch­land. Dort liegt dagegen der Stolz auf das kulturelle Erbe über dem Durchschni­tt.

Ohnehin gibt es regionale Unterschie­de: Bei der Frage „Wie sehr fühlen Sie sich als Deutsche oder Deutscher?“landen die auf ihre Regionalit­ät stolzen Bayern mit 76 Prozent im Mittelfeld hinter BadenWürtt­embergern und RheinlandP­fälzern mit jeweils 80 Prozent. Am höchsten sind die Werte in Brandenbur­g mit 86 sowie in Sachsen und Thüringen mit 84 Prozent. Am niedrigste­n fallen sie in Hamburg mit 53 sowie Bremen und dem Saarland mit je 64 Prozent aus.

Als wichtigste­s Ergebnis bewertet Forscher Eichhorn aber, dass sich Nationalst­olz und das Bekenntnis zu einer offenen Gesellscha­ft gut vertragen können: „Die Deutschen haben in der Umfrage das stärkste Profil einer offenen Gesellscha­ft von allen sechs europäisch­en Ländern, die wir untersucht haben“, sagt er.

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