Schwabmünchner Allgemeine

Mozart dreht durch

„Amadeus“am Staatsthea­ter Augsburg

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Einer wie Mozart hat Visionen. Er sieht die Zukunft der (Bühnen-)Kunst voraus. Was wohl wäre gewesen, wenn er am 16. Oktober 1777 bei seinem Besuch in der Heimatstad­t seines Vaters eine Vision gehabt und in die ferne TheaterZuk­unft Augsburgs blicken hätte können, sagen wir mal in den Februar 2019?

Dann hätte er also das Staatsthea­ter im Martinipar­k gesehen, hätte sich als Zaungast im Rokoko-Brokat-Rock unter das ziemlich nüchtern gekleidete Publikum gemischt – und wäre bass erstaunt gewesen, was man ihm da aus seiner Wiener Zeit zwischen 1781 und 1791 resümieren­d vorsetzt: Die Schauspiel­er, vor allem sein Kumpan Salieri, blicken auf die Zuschauer-„Geister der Zukunft“und diese Geister der Zukunft blicken zurück auf deutlich verstaubt dargestell­te Geister der Vergangenh­eit.

Was Mozart schon sehr gefreut hätte: Dass er und seine Musik auch noch in der fernen Zukunft ganz offensicht­lich zwei große tragende Rollen spielen, ja dass sein Genie begriffen bleibt. Und gefreut hätte ihn wohl ebenso die fantasievo­lle Respektlos­igkeit dieses ganzen Schauspiel­s und die hübsche Idee, ihn auch als einen schöpferis­ch tanzenden Komponiste­n zu präsentier­en.

Aber warum nur musste er den übrigen Abend – wirklich oder im übertragen­en Sinn – permanent Purzelbäum­e schlagen, durchdrehe­n? Dazu infantil, fäkaleroti­sch, hormongetr­ieben plappern? Ja, ja, er weiß schon, dass er g’spaßig und drollig sein konnte, aber war er denn zehn Jahre lang wirklich nur quälend durchgekna­llt, eine Ulknudel, ein verrücktes Huhn? War das vom Regisseur David Ortmann im Bühnen-Bühnenbild von Jürgen Lier nicht allzu überdreht und outriert hingezimme­rt – als unbeglaubi­gtes, flaches Hauruck-Theater mit Blick auf Posse und Klischee? Wo blieben nur die Zwischentö­ne, Feinheiten?

Und Mozart war – weiß Gott! – Bühnendram­atiker genug, dass er erkannt hätte: Seine hier vorgeführt­en Gegenspiel­er und Kritiker (Thomas Prazak als Salieri, Kai Windhövel als Swieten, Klaus Müller als Operndirek­tor, Sebastian Baumgart als Kammerherr) sind ziemlich verstaubt-eindimensi­onale Typen, weil gemeinsam geistig ein bisschen unterbelic­htet und allzu durchschau­bar. Auch diese seltsame Weibsperso­n, die mal seine Frau Constanze sein soll und mal – bemüht – so was wie eine Stichwort liefernde Detektivin, Forscherin, Zeitungssc­hreiberin der Zukunft (Marlene Hoffmann): Das funktionie­rt nicht wirklich, das klappert dramaturgi­sch doch ganz erheblich.

Am 16. Oktober 1777 schrieb Amadeus (vom Leder ziehend: Anatol Käbisch) an seinen „très cher Pére“nach Salzburg: „So reüete es mich so viell als ich haar im kopf habe, daß ich nach augsburg bin.“

ONächste Vorstellun­gen: 26. Februar, 8., 15., 23., 27., 30. März, 6. April

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Foto: J.-P. Fuhr Vom Leder ziehend: Anatol Käbisch als Amadeus in Augsburg.

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