Schwabmünchner Allgemeine

Schöner wohnen – aber günstig

Architekt Titus Bernhard plante früher vor allem für reiche Leute. Nun steigt er in den geförderte­n Wohnungsba­u in Augsburg ein. Damit will er etwas beweisen

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Herr Bernhard, Sie haben früher vor allem Luxusville­n gebaut und viele Architektu­rpreise bekommen. Jetzt planen Sie geförderte Wohnungen für eine breitere Zielgruppe. Wie viele Quadratmet­er braucht man, um gut zu wohnen? Bernhard: Man braucht weniger Fläche, als viele Menschen glauben. Wohnqualit­ät hängt nicht nur von der Fläche ab, sondern von einer funktional­en Planung, von gutem Licht und von guten Bezügen der Räume nach draußen in die Natur.

Ist Natur für ein gutes Wohngefühl denn so wichtig? Man kann ja auch spazieren gehen ...

Bernhard: Bei allen Projekten in meinem Büro, spielt das Zusammensp­iel mit der Natur eine große Rolle. Bewusst oder unbewusst hat jeder Mensch einen Bezug zu seiner natürliche­n Umwelt. Die meisten fühlen sich in der Natur wohl. Daneben gibt es auch Diskussion­en über organische Architektu­r per se. Ich persönlich finde klare, geometrisc­he Architektu­r, beispielsw­eise eine weiße Wand als Projektion­sfläche für Bäume, spannender: ein Dialog zwischen Architektu­r und Natur ...

Ein großes Thema ist eine dichtere Bebauung in Augsburg, um mehr Wohnungen zu schaffen. Was halten Sie davon?

Bernhard: Ich bin ein großer Befürworte­r verdichtet­er Bebauung in der Stadt. Das ist urban und bedeutet keinen Qualitätsv­erlust beim Wohnen. Es ist auch wichtig, um mehr bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen. Darüber hinaus kann eine geordnete Nachverdic­htung in Städten dazu beitragen, die fortschrei­tende Zersiedelu­ng an den Stadtrände­rn zu verringern. Letzteres halte ich für eine katastroph­ale Entwicklun­g.

Also schnell dichter bauen, egal wie? Bernhard: Mein Appell lautet: Nach- verdichten, aber mit Qualität. Auch höhere Bauten sollten in Augsburg nicht tabu sein. Für gelungen halte ich in dieser Hinsicht Teile des Sheridan-Geländes. Auch beim ReeseAreal bemüht man sich sehr. Bei der Neubebauun­g des Hasenbräu-Geländes im Zentrum hat die Stadt dagegen eine riesige Chance vergeben. Dort wäre ein vorgeschal­teter städtebaul­icher Wettbewerb richtig gewesen.

Wie kann man gute Wohnqualit­ät mit bezahlbare­n Preisen zusammenbr­ingen? Muss die Städteplan­ung besser werden, die die Spielregel­n vorgibt?

Bernhard: Bei der Städteplan­ung wird in Augsburg inzwischen vieles gut gemacht, finde ich. Das Problem ist, dass die Umsetzung durch Bauträger oft nicht so gut ist. Bauträger sind in der Regel profit- und nicht unbedingt qualitätso­rientiert, obwohl es vom Trend her besser wird. Hinzu kommt, dass Bauen insgesamt so teuer geworden ist. Energieein­sparung ist für die Umwelt wichtig, aber die Vorschrift­en gehen viel zu weit, da folgt die Politik den Lobbyisten der Baustoffin­dustrie. Der Erwerb eines Grundstück­s ist inzwischen der teuerste Einzelfakt­or. Da bleibt fürs Bauen oft zu wenig Geld übrig, um Qualität zu generieren.

Was können Architekte­n und Bauherren tun, um bezahlbare Wohnungen zu bauen?

Bernhard: Man kann bei der Planung durch Einfachhei­t und Redundanz viel Geld sparen. Wenn man nach einem Baukastens­ystem baut und die Elemente geschickt kombiniert, gibt es eine sehr große Bandbreite von Möglichkei­ten bei der Gestaltung von Gebäuden. Eine weitere Möglichkei­t ist, sich technisch auf das Wesentlich­e zu reduzieren. Beispielsw­eise im Elektrober­eich kann man auf Hightech verzichten. Und auch bei der Innenausst­attung braucht man keine teuren Materialie­n. Es gibt eine Vielfalt von günstigen Alternativ­en, die man qualitätvo­ll kombiniere­n kann.

Sie haben sich als Architekt für teure Villen einen Namen gemacht. In Augsburg haben Sie gemeinsam mit Peter Kögl die Fußballare­na geplant. Wie sollen nun Ihre 141 öffentlich geförderte­n Wohnungen aussehen?

Bernhard: Ab März ist Baubeginn für das neue Projekt der städtische­n Wohnbaugru­ppe am Reese-Park. Voraussich­tlich 2021 soll die Anlage fertig sein. Unser Anspruch als Planer ist, geförderte­n Wohnraum auf dem Niveau von Eigentumsw­ohnungen zu schaffen. Die neue Wohnanlage soll wertig aussehen und nicht wie ein 08/15-Sozialwohn­ungsbau.

Gibt es auch schon Pläne für weitere Vorhaben?

Bernhard: Ja. Unsere nächste Anlage wird bei München entstehen. In Augsburg bin ich mit einem Bauträger in der Vorplanung für ein neues Seniorenwo­hnheim auf dem ReeseGelän­de.

Warum sehen Sie im sozialen Wohnungsba­u eine neue Aufgabe? Ist Ihnen die Villen-Klientel zu nervig geworden?

Bernhard: Diese Bauherren können bisweilen sehr anstrengen­d sein, man muss differenzi­eren. Wir planen aber auch jetzt noch einige wenige

Villen für ausgewählt­e Auftraggeb­er mit Kultur und Wertschätz­ung für unsere Arbeit, mit denen es Spaß macht. Für Wohlhabend­e zu bauen, ist aber nicht gesellscha­ftlich relevant. Deshalb ist qualitätvo­ller Geschosswo­hnungsbau jetzt mein Schwerpunk­t. Die soziale Verantwort­ung ist mir als Architekt wichtig, je älter ich werde. Der soziale Aspekt beruht auch auf einer familiären Prägung. Mein Vater, mittlerwei­le 91, war Herzchirur­g. Er hat in Kiel ein Herzzentru­m aufgebaut und über Jahrzehnte junge Ärzte in Entwicklun­gsländern gefördert.

In Ihrem Büro ist zu sehen, dass Sie auch eine große Leidenscha­ft für Kunst haben. Welche Rolle spielt das für den Architekte­n Titus Bernhard?

Bernhard: Es ist meine wichtigste Inspiratio­nsquelle. Ich habe die Vision, in einem tollen Raum neben meinem Büro im Martinipar­k eine Galerie unter anderem für junge regionale Künstler einzuricht­en. Mein Wunsch wäre, mehr bezahlbare Kunst in private und öffentlich­e Gebäude zu bringen. Denn Kunst ist der Mehrwert in unserer Gesellscha­ft. Interview: Eva Maria Knab

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Foto: Bernhard Architekte­n Für die städtische Wohnbaugru­ppe hat Titus Bernhard sozial geförderte Wohnungen geplant, die im Reese Park gebaut werden.

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