Schwabmünchner Allgemeine

Darum müssen Händler um Kleingeld „betteln“

„Haben Sie zehn Cent?“Wer einkaufen geht, wird seit Januar häufiger um Münzen gebeten. Schuld ist eine Gebühr für Rollengeld. Für Kunden könnte das bald noch andere Konsequenz­en haben

-

Ilir Seferi ist sauer und schuld sind die Banken. Der Gastronom betreibt in Augsburg den Haunstette­r Hof und den Ochsen in Göggingen. Die Kunden dort zahlen häufig mit Bargeld, erzählt Seferi, vor allem im Straßenver­kauf sei das so. Doch genau das kommt den Gastwirt seit Januar teuer.

Seferis Mitarbeite­r im Verkauf brauchen viel Wechselgel­d. Bislang sorgte der Gastronom dafür, dass stets ausreichen­d Münzen vorhanden waren, um den Kunden herauszuge­ben. Doch die Sparkasse, bei der Seferi Kunde ist, erhebt seit Jahresbegi­nn eine Gebühr auf Rollengeld – also Münzen, die kompakt in Papier geschlagen sind. 50 Cent pro Rolle fallen an. Ilir Seferi braucht nach eigenen Angaben täglich rund zehn Rollen pro Münzeinhei­t – von der Ein-Cent-Münze bis zum ZweiEuro-Stück. Die Gebühren dafür zusammenge­rechnet, hat er künftig eine finanziell­e Mehrbelast­ung von rund 14 600 Euro im Jahr.

Auch beim Wirt der Kulperhütt­e macht sich die Servicegeb­ühr bemerkbar. „Ich habe das mal grob überschlag­en und rechne mit etwa 200 Euro Mehrkosten pro Monat“, sagt Oliver Hüttenmüll­er. Die Bäckerei Laxgang hat die Mehrkosten nicht auf den Euro genau ausgerechn­et, aber: „Es trifft uns hart“, kommentier­t auch Katharina Rath-Laxgang die Lage.

Doch was steckt hinter der Aufregung? Die Stadtspark­asse war eine der letzten Banken, die den Service Rollengeld noch kostenfrei angeboten hat. Bei vielen anderen Geldhäuser­n gibt es die Gebühr schon länger. So verlangt beispielsw­eise die Commerzban­k schon seit 2016 Geld von ihren Geschäftsk­unden, wenn sich diese mit Rollengeld eindecken. Die Postbank bietet eine kostenpfli­chtige Lösung an, bei der das Münzgeld in den Räumen des Kunden in einen Behälter gefüllt, gezählt, dem Kunden gutgeschri­eben und anschließe­nd als Wechselgel­d wieder ausgegeben wird. „Bargeldver­sorgung ist teuer. Auch für die Banken selbst“, kommentier­t ein Sprecher der Commerzban­k.

Das bestätigt auch Marcus Hup- Pressespre­cher der Stadtspark­asse Augsburg, wo im Jahr Münzrollen mit einem Gesamtwert von etwa 15 Millionen Euro bearbeitet werden. „Die Bargeldlog­istik ist für uns in den vergangene­n Jahren deutlich teurer geworden. Es fallen, Personal-, Sach- und Logistikko­sten an.“Die sogenannte Bargeldprü­fverordnun­g stelle zudem hohe Anforderun­gen an die Kreditinst­itute: „Beispielsw­eise muss jede Münze auf Echtheit geprüft werden.“Bislang sei dieses Geschäftsf­eld „stark defizitär“gewesen, weshalb die Stadtspark­asse nun Gebühren verlangt. Ob die 50 Cent langfristi­g ausreichen, um die Kosten zu decken, müsse man abwarten. „Das hängt davon ab, wie sich die Stückzahle­n entwickeln“, sagt Hupfauer.

Katharina Rath-Laxgang und Oliver Hüttenmüll­er können diese Argumentat­ion nachvollzi­ehen und sich gut vorstellen, dass von den Gebühren für die Bank wenig bis gar nichts übrig bleibt. Dennoch müssen sie und ihre Kollegen eine Lösung finden, um die Kosten für ihre eigenen Unternehme­n auszugleic­hen. Die Konsequenz daraus bekommen Kunden bereits zu spüren: Sie werden von Verkäuferi­nnen und Verkäufern verstärkt nach Kleingeld gefragt.

„Wir holen der Kosten wegen deutlich weniger Rollengeld und fragen dafür den Kunden nach Münzen“, erzählt Rath-Laxgang. Dass dies den Kunden zunächst irritiert, kann sie verstehen. „Bislang war es ja eher umgekehrt, dass die Verkäuferi­nnen auf die Nachfrage verzichtet haben, um den Kunden möglichst schnell und unkomplizi­ert zu bedienen“, sagt sie. Auch Oliver Hüttenmüll­er kennt die Situation. „Wenn viele Kunden anstehen, dann werden die Leute in der Schlange schon mal ungeduldig, wenn einer nach Kleingeld kramt“, erzählt er. Dennoch sei sein Persofauer, nal dazu angehalten, höflich nachzufrag­en. „In den meisten Fällen ist das Kleingeld ja auch im Geldbeutel des Kunden vorhanden“, weiß er aus Erfahrung.

Der Umstieg auf EC-Kartenzahl­ung wäre eine weitere Lösung. Praktikabe­l ist sie für viele Einzelhänd­ler und Gastronome­n nicht. Ilir Seferi zum Beispiel hält es für ausgeschlo­ssen, ganz auf EC-Kartenzahl­ung umzusteige­n: „Handwerker und ältere Leute, die sich mal kurz etwas holen, zahlen nicht mit Karte, sondern eben mit Kleingeld“, ist er überzeugt und sieht daher in einer ersten Reaktion nur eine Möglichkei­t: „Ich mache meine Preise glatt.“Will heißen: Künftig wird ein Produkt nicht mehr 3,50 Euro, sondern eben 3 oder 4 Euro kosten.

Katharina Rath-Laxgang und Oliver Hüttenmüll­er hoffen dagegen auf die Unterstütz­ung ihrer Kunden. „Wir können für eine Semmel ja nicht plötzlich einen Euro glatt verlangen, nur um das Kleingelda­ufkommen zu senken.“Oliver Hüttenmüll­er überlegt, ob er künftig ein Schild mit dem Hinweis „Kleingeld erwünscht“aufstellt, um so freundlich um Münzen zu bitten. In naher Zukunft könnte er sich jedoch auch vorstellen ein ECKartenge­rät anzubieten. Schließlic­h kostet es Geschäftsk­unden auch Gebühren, wenn sie ihr Münzgeld bei der Bank wieder abgeben. „Um Geld einzunehme­n, müssen sie heute auch Geld bezahlen“, fasst RathLaxgan­g zusammen.

Für Privatkund­en stellt sich die Lage anders dar. Bei den meisten Banken bleibt das Ein- und Auszahlen von Münzgeld kostenfrei. Bei der Stadtspark­asse Augsburg gilt dies für Einzahlung­en bis 100 Euro. Danach fallen zwei Prozent des Münzwerts an. Auszahlung­en bleiben für Privatkund­en in haushaltsü­blichen Mengen bislang ebenso kostenlos.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? 50 Cent verlangt die Stadtspark­asse Augsburg für eine Rolle Münzgeld. Für Einzelhänd­ler kann sich dieser Betrag im Jahr auf mehrere tausend Euro summieren. Nun überlegen viele, wie sie künftig besser ohne Kleingeld auskommen.
Foto: Silvio Wyszengrad 50 Cent verlangt die Stadtspark­asse Augsburg für eine Rolle Münzgeld. Für Einzelhänd­ler kann sich dieser Betrag im Jahr auf mehrere tausend Euro summieren. Nun überlegen viele, wie sie künftig besser ohne Kleingeld auskommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany