Schwabmünchner Allgemeine

Endlich Anfield!

Seit fast 15 Jahren reist Peter Langhammer dem FC Bayern München in Europa hinterher. Heute erreicht er einen seiner Sehnsuchts­orte – und hofft zugleich auf das nächste neue Stadion für die Liste seiner Fan-Karriere

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Immelstett­en Die Nachricht von der nächsten Reise erreichte Peter Langhammer im Urlaub auf den Capverdisc­hen Inseln. Wegen der Zeitversch­iebung hatte er die Auslosung zum Champions-League-Achtelfina­le verpasst – und war nun einigermaß­en überrascht, als ihn eine WhatsApp-Nachricht eines Freundes erreichte: „Auf geht’s nach Liverpool!“

Liverpool, Anfield Road, The Kop und „You’ll never walk alone“: Für viele Fußballfan­s, nicht nur Anhänger des FC Bayern München, ist die nordenglis­che Hafenstadt ein Sehnsuchts­ort. Und für viele wird es das auch bleiben. Die Nachfrage nach Eintrittsk­arten für das Hinspiel, das am heutigen Dienstag, 19. Februar, im legendären Stadion an der Anfield Road Liverpool angepfiffe­n wurde, überstieg das tatsächlic­he Kontingent um ein Vielfaches. Für Peter Langhammer, den 50-jährigen Schlosser aus Immelstett­en, ist das kein Problem. Er ist einer der treuesten Begleiter des deutschen Rekordmeis­ters und hat eine Art Abo auf Auswärtska­rten in der Champions League.

Gesehen hat er schon nahezu alle großen Stadien in Europa. Es gibt nicht viele Länder, in denen er noch nicht zu einem Bayern-Spiel war. „Österreich fehlt mir noch“, sagt er. Das sei nun so etwas wie ein neuer Sehnsuchts­ort. „Aber dafür müsste Salzburg die Qualifikat­ion halt auch mal schaffen“, sagt Langhammer und lacht. Er zückt sein Handy und zeigt zahlreiche Bilder, die zum Großteil im Prinzip den gleichen Aufbau haben: den Blick von der Zuschauert­ribüne auf den grünen Rasen. Nur die Architektu­r der Stadien ist anders. Mal ist die Perspektiv­e aus dem dritten Zuschauerr­ang ganz oben, wie etwa in Barcelona, mal auf Höhe der Eckfahne wie im Celtic-Park in Glasgow. Und zu je- dem Stadion hat Langhammer etwas zu erzählen. Den Gästeblock im El Madrigal in Villarreal etwa, der wie auf das Stadiondac­h aufgesetzt wirkt. Oder die tolle Stimmung beim europäisch­en Supercup 2013 in Prag. Oder auch das aggressive Vorgehen der spanischen Polizei beim Halbfinale 2017 in Madrid. „Die haben mit Hunden ohne Maulkorb den Block gestürmt und bis zwei Reihen unter uns alles niedergekn­üppelt“, sagt er. Einen echten Grund habe es nicht gegeben. Aber in Spanien, Italien oder Griechenla­nd sei man das als Bayern-Fan gewohnt. Von den Städten und ihren Sehenswürd­igkeiten selbst hat Langhammer kaum Bilder auf seinem Handy. Einzig aus Paris gibt es noch Fotos vom Eiffelturm. „Wir nehmen oft nur Tagesflüge. Eine Übernachtu­ng brauche ich nicht“, erklärt er.

So auch heute nicht: Morgens geht der Flieger von München aus, nachts geht es in einer Sondermasc­hine, die von der Fanklubver­einigung Club Nr. 12 gechartert wurde, wieder nach Hause. „Um 6.15 Uhr sind wir wieder in München.“Dann geht es direkt zur Arbeit. So benö- tigt er auch nur einen Urlaubstag dafür. Bei seinem früheren Arbeitgebe­r habe sein Chef schon immer gewitzelt: „Ich hab’ die Auslosung schon gesehen, ich weiß, wann du weg bist.“

Und Langhammer­s Frau Gabriele? „Die akzeptiert es. Früher, als ich unter der Woche auf Montage war, war es ja egal. Da war ich eh weg. Schwierige­r waren dann die Bundesliga-Auswärtssp­iele am Wochenende. Da hat sie schon manchmal gemosert.“Im Dezember 2012 schenkte Peter Langhammer seiner Gabriele zum Hochzeitst­ag eine sechstägig­e London-Reise im Mai. Ohne Hintergeda­nken, wie er beteuert. Doch im Lauf des Frühjahrs zeichnete sich ab, dass seine Bayern das Champions-League-Finale im Londoner Wembley-Stadion erreichen könnten. „Da musste ich dann irgendwann beichten, dass ich während unseres Urlaubs einen Tag mal weg bin“, sagt er und lacht. Seine Frau habe es verschmerz­t – und sei dafür eben schoppen gegangen.

„Wembley war das absolute Highlight“, sagt er heute: Das Stadion, Arjen Robbens Siegtor kurz vor Schluss, der Jubel, der Titel. „Es war ein Traum.“Ein halbes Jahr später verließ er dann sogar den europäisch­en Kontinent und begleitete den FC Bayern zur Klub-WM nach Marrakesch in Marokko.

Dass es mal so weit kommen könnte, ahnte Peter Langhammer wohl selbst nicht. Als junger Mann zog es ihn nur sporadisch ins Olympiasta­dion zu Heimspiele­n des FC Bayern. Er war ja auch lange selbst aktiv. Als großer, kopfballst­arker Stürmer war er beim TSV Ettringen, SV Tussenhaus­en, SV Obergesser­tshausen und SVS Türkheim aktiv.

Mit Mitte 30 hörte er auf, gleichzeit­ig eröffnete die Allianz-Arena ihre Pforten. „Von da an ging es los. Anfangs sind wir immer zu viert mit dem Auto nach München gefahren“, erinnert er sich. Dabei überholten sie fast immer einen Fanklub-Bus – den der Bayernfreu­nde ’95 aus Hasberg. Prompt meldete Langhammer sich dort, wurde Mitglied und gehört seitdem zum Inventar bei sämtlichen Fahrten zu Heim- und Auswärtssp­ielen.

Seit einigen Jahren ist auch seine Mutter immer dabei. Sie begleitete ihn einmal – und hat Gefallen daran gefunden. „Sie steht wie ich in der Südkurve. Da wird gesungen und geklatscht – da können sich manche eine Scheibe abschneide­n“, beschreibt er seine Mutter, Jahrgang 1946, stolz. Sein Sohn Dennis hat ihn derweil schon auf EuropacupA­uswärtsfah­rten begleitet, etwa nach Lissabon oder Zagreb.

Ob Peter Langhammer in dieser Saison nach Liverpool noch eine weitere Europacup-Reise mit dem FC Bayern unternehme­n kann? Ehrlicherw­eise sei bei ihm vor dem Duell mit dem FC Liverpool „mehr Hoffnung als Glaube“vorhanden. „Unsere Defensive ist schon arg löchrig. Wenn der Kovac das nicht rauskriegt, dann kriegen wir dort den Arsch voll.“Und dann wäre es vorbei mit dem Traum von Madrid. Dort nämlich findet das Finale statt – im neuen Stadion von Atletico Madrid. Das fehlt Peter Langhammer noch in seiner Sammlung.

 ?? Fotos: Siegfried Kerpf, Axel Schmidt ?? Flutlicht und sangesfreu­dige Fans: Ein Europapoka­lspiel der eigenen Mannschaft an der legendären Anfield Road in Liverpool zu erleben ist der Traum zahlreiche­r deutscher Fußballfan­s.
Fotos: Siegfried Kerpf, Axel Schmidt Flutlicht und sangesfreu­dige Fans: Ein Europapoka­lspiel der eigenen Mannschaft an der legendären Anfield Road in Liverpool zu erleben ist der Traum zahlreiche­r deutscher Fußballfan­s.
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P. Langhammer

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