Augsburg wird mit Brecht nicht fertig – und das ist ganz in seinem Sinn
War Bertolt Brecht wirklich ein Augsburger? Gut, er ist hier geboren und ist hier „sozialisiert“worden, aber dann suchte er doch schnell das Weite.
In letzter Zeit ist plötzlich wieder die Frage aufgetaucht, was für ein Mensch denn „unser“Brecht war: Und die nicht so überraschende Antwort lautet, dass er ein Opportunist war, mit einem enormen Vermögen zur Anpassung. Unter dem Strich: Ein angenehmer Mensch war Brecht sicher nicht; aber ein großartiger Künstler und Denker.
Wer auf die Schnelle Brechts Gedankenwelt kennenlernen will, dem seien „Die Geschichten vom Herrn Koiner“empfohlen. Die Literaturwissenschaft hat ja viele Jahre herumgerätselt, wo der Name „Koiner“herrührt. Jetzt weiß man des Rätsels Lösung: Da keiner so ist wie der „Herr Koiner“, hat der Augschburger Brecht ihn einfach Augschburgerisch „Koiner“genannt.
Ein Wesenszug von Brechts Philosophie war Veränderung. Ein stabiler Zustand war dem Dichter ein Gräuel. Da war er einer Meinung mit Christian Morgenstern, der geschrieben hat: „Nur wer sich wandelt, bleibt mit mir verwandt.“
Brecht verabscheute das Sicheinrichten in einem Zustand. Er schrieb: „Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen / Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen / Wie man schneller sägen konnte.“
In den „Geschichten vom Herr Koiner“ist eine mit „Irrtum und Fortschritt“überschrieben: „Wenn man nur an sich denkt, kann man nicht glauben, dass man Irrtümer begeht, und kommt also nicht weiter. Darum muss man an jene denken, die nach einem weiterarbeiten. Nur so verhindert man, dass etwas fertig wird.“
Letzteres könnten auch viele Bundes- und Lokalpolitiker von sich geben. In Berlin wird der Flughafen nicht fertig, auch „Stuttgart 21“könnte sich Brechts Diktum aufs Panier schreiben. Und in Augsburg, der Heimatstadt des Dichters, wird Brechts Satz „nur so verhindert man, dass etwas fertig wird“zum Handlungsprinzip. Der Bahnhofsvorplatz, das Theater, die Linie 5, bei all diesen Vorhaben habe ich Zweifel, ob meine Generation die Fertigstellung noch miterleben wird. Auf dem „Fuggerboulevard“(wurde uns vor 20 Jahren versprochen) werden wohl nur wenige meiner Altersgenossen lustwandeln. Vom „Parkleitsystem“ganz zu schweigen. Also, Sie merken, es gibt vitale Verbindungen von Brecht zu Augsburg …
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.