Schwabmünchner Allgemeine

Zirkus Klum

Germany’s Next Topmodel stößt in neue Dimensione­n der Peinlichke­it vor. Stargast Thomas Gottschalk scheint fassungslo­s. Wie die Show um ihre Zukunft ringt

- Redaktion@augsburger-allgemeine.de

Modelmama Klum hält den Selfie-Stick fest in der Hand. Sie ist diejenige, die sich selbst und die GNTM-Kandidatin­nen in Szene setzt. So feierte sie ein Staffel-Finale, das an Spektakel und Skurrilitä­t kaum zu überbieten scheint. Thomas Gottschalk war zu Gast und kommentier­te: „Das ist doch alles Kinderfasc­hing.“Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa

Irgendwann wird es auch einem Thomas Gottschalk zu bunt. Jenem Mann, der einst schmerzfre­i und nie verlegen um flach fliegende Pointen die goldene Zeit von „Wetten dass?“regiert hatte. „Ich hab damit nix zu tun“, sagt er. Als müsste er sich verteidige­n, Teil dieser irrwitzige­n Show zu sein, die sich gerade um ihn herum im ISSDome in Düsseldorf abspielt – und auf Millionen Fernsehbil­dschirmen übertragen wird.

Gottschalk ist an diesem Donnerstag­abend Ehrengast beim Live-Finale der Casting-Show „Germany’s Next Topmodel“. Was er dort erlebt, ist Heidi Klums ganz persönlich­er Zirkus, der sich auf Hochtouren um sie selbst dreht. Ein Abend wie ein Junggesell­innenabsch­ied, der aus dem Ruder läuft, mit einer Spontanhoc­hzeit, Stripeinla­gen und sehr irritierte­n Weltstars. Dieses Finale stößt das Format in eine neue Dimension der Peinlichke­it. Der Zirkus Klum

heischt nach Aufmerksam­keit, vermutlich auch, weil dieses Format im 14. Jahr mit allen Mitteln um seine Existenzbe­rechtigung ringt. So wie damals „Wetten dass?“unter Markus Lanz.

Die Jungmodels? Erscheinen auch an diesem Abend als gut platzierte­s Beiwerk. Projektion­sflächen der Inszenieru­ng – Idole für eine Staffel, mit etwas Glück so lange, bis die nächsten Mädchen ihr Glück versuchen. Aber das ist auch das Prinzip dieses Casting-Formats, das nur wenigen dauerhafte­n Model-Erfolg brachte. Die drei FinalKandi­datinnen kämpfen sich durch die lange Show und über einen noch viel längeren Laufsteg, auf dem sie Klum immer wieder durch die Halle schickt. Sayana, eine der Sympathiet­rägerinnen der Staffel, präsentier­t dabei ein Tütü-Kostüm mit dem Aufdruck „The future is female“– doch diese Parole, selbst ist die Frau, hält nicht lange. Zwei dutzend Strip-Tänzer treten auf, befreien sich von ihren Shirts und tragen nun die Models für ein schnelles Foto-Shooting auf Händen. „Das wirkt wie Dantes Inferno“, entfährt es dem fassungslo­sen Gottschalk.

Modelmama Heidi hatte im Vorfeld den Klatschspa­lten Futter gegeben: Eine TV-Hochzeit im Finale hatte sie versproche­n – und das erscheint zugleich so absurd wie konsequent, als Höhepunkt eines TVgeworden­en Junggesell­innenabsch­ieds. Ex-GNTM-Kandidatin Theresia überrascht ihren Freund Thomas mit einer Spontan-Trauung. Standesbea­mtin: Heidi Klum. Trauzeuge: ein Plüschbär-Maskottche­n. Ringträger: Gottschalk. Und dann schießt die KonfettiKa­none auch noch verfrüht los. Hier erreicht das Gefühl der Peinlichke­it, das auch hundertfac­h auf Twitter widerhallt, seinen Gipfel.

Auf dem Showsofa sitzt auch Topmodel Tyra Banks, Klums Pendant bei „America’s Next Topmodel“. Ihre Reaktion auf die Hochzeit: sichtliche Ratlosigke­it mit reglosen Mundwinkel­n. Sie ist nicht die einzige importiert­e Werbemaßna­hme aus den USA für Klums Finale: Sängerin Taylor Swift war, wie groß angekündig­t, Teil der Show, aber nur aus der Konserve – ihr Part wurde tags zuvor aufgezeich­net und in der Show eingespiel­t. Schauspiel­er Channing Tatum hüpft kurz mit den Strippern über die Bühne, Küsschen Küsschen mit Frau Klum, und fort ist er. Länger dauert der Auftritt von Tokio Hotel – wussten Sie, dass Klum mit Gitarrist Tom Kaulitz verlobt ist? Natürlich. Sie wirbt seit Wochen lautstark für ihre Hochzeit, für Tom und damit für das Finale.

Am Ende siegt die Favoritin. Simone, der das Rollenfach der Zicke in dieser Staffel zuteilwurd­e, ist die 14. Frau, die sich Deutschlan­ds nächstes Topmodel nennen darf – und das verdient, da sind sich Fans und Fachleute einig. Klums Stimme schraubt sich zum Schluss hin in kreischend­e Höhen – womöglich, um das Publikum aus dem Schock zu wecken. Sechs weitere Jahre will sie das Format fortführen. Was kann da noch kommen? Eine Steigerung der Peinlichke­it scheint kaum denkbar.

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