Schwabmünchner Allgemeine

„Das wäre mir eher peinlich“

Interview Gerhard Delling moderiert zum letzten Mal das Pokalfinal­e. Im Mittelpunk­t stehen will er deshalb aber nicht. Er berichtet von einem Disput mit Jürgen Klopp und erzählt, was Traditions­vereine von RB Leipzig lernen können

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Herr Delling, vor zwei Wochen die letzte Samstags-Sportschau, nun das letzte DFB-Pokalfinal­e, das Sie für die ARD moderieren. Wovon fällt es schwerer, Abschied zu nehmen? Delling: Da tut sich nicht viel um. Ich habe über 30 Jahre lang die Sportschau moderiert, was sehr viel Spaß gemacht hat. Beim Pokalfinal­e habe ich immer das Live-Erlebnis geliebt. Da wird schon ein bisschen Wehmut mitschwing­en.

Bei wie vielen DFB-Pokalspiel­en waren Sie dabei?

Delling: Ich denke, es werden so an die 20 gewesen sein.

Gibt es Endspiele, die Ihnen besonders gut in Erinnerung geblieben sind? Delling: Zum Beispiel das Finale 1992, als Hannover 96 als krasser Außenseite­r Borussia Mönchengla­dbach besiegt hat. Das war ein besonderer Moment. Oder 1999 der Sieg von Werder Bremen gegen den FC Bayern, die damals eine Übermannsc­haft hatten. Werder war von den Namen her absolut chancenlos. Aber am Ende reckte Werder-Kapitän Dieter Eilts den Pokal in die Höhe.

Es wird immer wieder von der Stimmung beim DFB-Pokalfinal­e geschwärmt. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere daran?

Delling: Das fängt schon an, wenn man am Tag des Finales nach Berlin kommt. Da spürt man diese ganz besondere Atmosphäre, weil die Stadt in die Vereinsfar­ben gehüllt ist. In der Regel gibt es keine Ausschreit­ungen, keine Aggression­en. Es herrscht eine schöne Begeisteru­ng, die nach vorne gerichtet ist. Wenn das Olympiasta­dion bis auf den letzten Platz gefüllt ist und diese besondere Stimmung auf den Rängen herrscht, wird es zu einer wirklich aufregende­n Location.

Was hat sich am Pokalfinal­e geändert? Delling: Am Spiel nicht viel, dafür aber drum herum umso mehr. Der Unterhaltu­ngsaspekt spielt eine immer wichtigere Rolle. Das ist Geschmacks­sache. Ich muss das nicht haben.

Da sind Sie mit Ihrem Unbehagen nicht alleine. Wir erinnern uns an das Pfeifkonze­rt beim Pausenauft­ritt von Helene Fischer während des Pokalfinal­es 2017 …

Delling: Ich mag Liveacts, Musik – aber der Sport hat das gar nicht nötig, weil er die Unterhaltu­ng und Spannung in sich trägt.

Trotzdem, der Fußball wird mehr und mehr zur Unterhaltu­ngsware. Delling: Das stimmt sicher in vielen Ein letztes Mal moderiert Gerhard Delling am Samstag das Finale um den DFB-Pokal. Der ARD-Mann war bei 20 Endspielen dabei. Kult-Status erreichte er dank seiner Auftritte mit Günter Netzer. Foto: Ina Fassbender, dpa

Bereichen. Randaspekt­e rücken immer mehr in den Vordergrun­d – auch in der Berichters­tattung. Ehrlicherw­eise muss man sagen, dass die Reporterko­llegen meiner Generation und ich damit angefangen haben. Früher gab es nur den Fußball. Die Übertragun­g hat mit dem Anpfiff begonnen und endete mit dem Schlusspfi­ff. Wir haben dann mit den Vor- und Nachberich­ten angefangen. Solange die journalist­isch getrieben sind, habe ich damit auch kein Problem.

Was halten Sie von den Field-Interviews, bei denen Spielern unmittelba­r nach dem Schlusspfi­ff ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird? Delling: Die finde ich schon gut. Dabei sind Momente entstanden, bei denen Emotionen, der Charakter eines Spielers durchgekom­men sind. Aber man sollte die Fieldinter­views nicht zum Dogma erheben. Die meisten Spieler sind doch heute so geschult, dass sie nicht mehr sagen, was sie denken. Sie schalten sofort auf den Medienmodu­s, sobald man ihnen ein Mikrofon hinhält.

Beim Pokalfinal­e 2015 hat Sie Jürgen Klopp als damaliger BVB-Trainer im Interview nach der Niederlage gegen Wolfsburg attackiert – weil Sie aus seiner Sicht mangelndes Einfühlung­svermögen für den Verlierer zeigten. Delling: Das stimmte ja nicht. Es war ein Missverstä­ndnis und lag sicher auch an der besonderen Situation. Es war Klopps letztes Spiel als BVBTrainer. Er hat dann im Gespräch immer wieder herausstel­len wollen, dass vor allem der Schiedsric­hter Schuld an der Niederlage hatte. Irgendwann war es dann genug, zumal die Zeit auch davonlief.

Was Sie ihm mit den Worten „Es ist nun aber, wie es ist“signalisie­rten … Delling: Ich wollte die kurze Zeit, die ich da noch hatte, nutzen und Jürgen Klopp einen guten Abschied gestalten. Klopp hat das nicht kapiert. Und ich war überrascht, dass er eine Attacke gegen mich fuhr. Das sind die Emotionen, von denen ich vorher gesprochen habe und die ich mir häufiger in den Interviews wünsche. Wenn man wie ich seit frühester Kindheit Sportler war, weiß man,

wie sich Verlieren anfühlt. Die Sensibilit­ät dafür ist ganz sicher nicht verloren gegangen.

Sie sprachen vom Medienmodu­s, in den die Fußballpro­fis der heutigen Generation bei Interviews schalten. Hat man es als Reporter in anderen Sportarten leichter?

Delling: Vom Grundsatz her eigentlich nicht. Aber es ist schon so, dass sich ein Gespräch beispielsw­eise mit einem Handballer oder einem Leichtathl­eten häufig anders entwickelt als mit einem Fußballpro­fi – weil Erstere nicht jeden Tag interviewt werden. Sie reagieren in der Regel offener.

Beschäftig­t sich ein Fernsehmod­erator nach dem Spiel ebenfalls mit der Videoanaly­se, um Fehler zu erkennen und fürs nächste Spiel zu lernen? Delling: Wenn man mit dem Job anfängt, auf jeden Fall. Aber inzwischen muss ich mir nicht mehr am nächsten Tag die Aufzeichnu­ng anschauen, um zu erkennen, was nicht so gut gelaufen ist. Ich meine damit nicht Verspreche­r oder Blackouts, sondern Dinge, die dem Zuschauer wahrschein­lich gar nicht aufgefalle­n sind. Auch über eine unglücklic­he Wortwahl kann ich mich sehr ärgern.

Beim Spieler ist die Tagesform mitentsche­idend – beim Moderator auch? Delling: Anfangs, wenn man neu im Job ist, dann schon. Da ist es wichtig, wie man sich fühlt. Aber je mehr Routine man hat, desto weniger kommt es auf die Tagesform an. Trotzdem sind auch in unserem Metier echte Höhepunkte nur in bester Verfassung möglich.

Bei Ihrem letzten Spiel könnte RB Leipzig seinen ersten großen Titel holen – ein Graus für viele Fußballtra­ditionalis­ten.

Delling: Es ist ein Albtraum – für Traditions­vereine wie den Hamburger SV. Der hat in den vergangene­n Jahren wahrschein­lich nicht viel weniger Geld ausgegeben – oder sagen wir verbrannt – als RB Leipzig. Leipzig hat vorgemacht, was man erreichen kann, wenn man einen vernünftig­en Plan hat. Beim HSV war alles schon da, beispielsw­eise die hervorrage­nde Fanstruktu­r. In Leipzig musste alles erst aufgebaut werden. Die Entwicklun­g von RB Leipzig ist beschämend für manchen Traditions­verein.

Gibt es zum Abschied ein Wiedersehe­n vor der Kamera mit Ihrem langjährig­en kongeniale­n Partner Günter Netzer?

Delling: Er wird sicher nicht im Bild auftauchen. Dann würden wir beide im Mittelpunk­t stehen. Und das wäre mir eher peinlich. Ich habe mich ja schon am vergangene­n Samstag nach über 30 Jahren Sportschau in der gebotenen Kürze verabschie­det. Und so soll das auch beim Pokalfinal­e sein. Es wird auch ohne mich weiter Fußball gespielt und auch ohne mich wird weiter Fußball übertragen.

Interview Roland Wiedemann

● Gerhard Delling ist am 29. April 1959 in Rendsburg in SchleswigH­olstein geboren. Zum Stamm der Sportschau-Moderatore­n gehört Delling seit 1987. Von 1998 bis 2010 bildete er das preisgekrö­nte Duo mit Experte Günter Netzer, mit dem er unter anderem den AdolfGrimm­e-Preis gewann. Der inzwischen 60-Jährige hat seinen im Mai auslaufend­en Vertrag bei der ARD nicht verlängert und will sich künftig anderen Projekten widmen. Unter anderem arbeitet Delling an einem Buch und an der Entwicklun­g einer Fußball-App. (row)

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