Schwabmünchner Allgemeine

Kneipengas­t stiehlt den Tresor der Wirtin

Prozess Nach mehr als fünf Jahren landete ein ungewöhnli­cher Fall vor Gericht

- VON KLAUS UTZNI

Bargeld, Geld und Schmuck kann man der Bank anvertraue­n. Das kostet Gebühren. Aber es ist sicher. Man kann seine Ersparniss­e, Edelmetall und wertvollen Schmuck auch zu Hause aufbewahre­n. In einem Tresor. Im Schlafzimm­er. Das kann ins Auge gehen. Diese bittere Erfahrung musste die Wirtin einer Lechhauser Kneipe machen, die einen Gast bat, ihr die Programme am neuen Fernseher einzustell­en.

Der schritt mit einem Kumpel zur Tat. Am folgenden Tag war der Programmsa­lat am Fernseher zwar immer noch da. Dafür war der kleine Tresor der Wirtin verschwund­en. Im Safe befanden sich angeblich Bargeld, Schmuck, 1,8 Kilo Goldbarren und Sparbücher im Gesamtwert von rund 230 000 Euro.

Der dreiste Diebstahl im November 2013, also vor fünfeinhal­b Jahren, fand erst jetzt in einem Prozess vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Thomas Müller-Froelich seine teilweise Aufklärung. Teilweise deshalb, weil Kripo und Staatsanwa­ltschaft davon ausgehen, dass an der Tat drei Männer beteiligt waren: der Angeklagte, 36, ein Kumpel, gegen den ein vager Verdacht besteht, und der bislang gänzlich unbekannte Dritte im Bunde. Der Angeklagte (Verteidige­r: Marco Müller) und der Kumpel sollen damals, als sie angeblich die Programme des Fernsehers im Schlafzimm­er der Wirtin einstellte­n, den Würfeltres­or aus dem Fenster in den Hof geworfen haben; sie wussten von der Existenz des Safes. Unten stand der dritte Mann und barg die Beute, die verschwand. Was die Ermittlung­en – bis heute – erschwerte, war die Tatsache, dass die Wirtin nicht in der Lage war, den Wert der Beute genau zu beziffern, den Schmuck zu beschreibe­n.

Anfangs war von 5000 Euro Bargeld die Rede, später sogar von 20000 Euro. Dass sich auch drei Goldbarren zu je 600 Gramm im Tresor befunden haben sollen, das gab die Lokalchefi­n erst ein halbes Jahr später zu Protokoll. Zunächst war sich die Wirtin auch sicher gewesen, den Angeklagte­n und seinen Kumpel identifizi­ert zu haben. Bei einer Gegenübers­tellung aber schloss sie beide als Täter wieder aus. Also wurden die Ermittlung­en erst einmal zu den Akten gelegt. Das änderte sich, als der Angeklagte 2018 im Raum Ingolstadt bei einem ähnlichen Diebstahl erwischt wurde. Dort hatte er sich als Gas- und Wasserinst­allateur ausgegeben und eine Wohnung ausgeräumt. Von der Polizei sichergest­ellte Fingerabdr­ücke aus diesem Fall erwiesen sich identisch mit Spuren, die Jahre zuvor am Schlafzimm­erfenster der Wirtin entdeckt worden waren.

Nach dem Motto „Schweigen ist Gold“ließ der Angeklagte nun im Prozess seinen Anwalt Marco Müller reden. Der sagte, sein Mandant gebe zu, an dem Tresordieb­stahl beteiligt gewesen zu sein. Die Beute habe man aufgeteilt. Goldbarren seien allerdings nicht in dem Safe gewesen. Dem widersprac­h die Gastwirtin im Zeugenstan­d. Sie konnte sich zwar nicht erinnern, wie viel Geld genau und welche Preziosen im Einzelnen abhandenge­kommen waren. Aber: „Drei Goldbarren waren drin. Die haben wir vor 40 Jahren gekauft und für jeden damals 26 000 D-Mark bezahlt.“Der Gesamtwert der Beute schmolz im Laufe des Prozesses dahin. Staatsanwa­lt Lukas Peltsarszk­y ging am Ende von 100000 Euro Schaden aus, Anwalt Müller von 15000 Euro. Das Gericht errechnete zugunsten des Angeklagte­n einen Gesamtwert inklusive Goldbarren zum Tatzeitpun­kt von 78 000 Euro und verurteilt­e den 36-Jährigen zu einer Bewährungs­strafe von 21 Monaten. Er muss eine Geldauflag­e von 2400 Euro zahlen und Wertersatz in Höhe des Beutewerte­s leisten. Der Schuldspru­ch ist noch nicht rechtskräf­tig.

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