Schwabmünchner Allgemeine

Mit den Händen zurück zur Natur

Hausbesuch­e Anfangs verschöner­te Luzia Birle mit ihren Weidenflec­htereien Haus und Hof. Heute gibt sie selbst Kurse und fasziniert mit der uralten Handwerksk­unst immer mehr Menschen

- VON ANGELA DAVID

Luzia Birle flechtet in ihrer Weidenwerk­statt neben dem Wohnhaus seit 14 Jahren Objekte aus Weiden. Wollte sie früher einfach nur mit den Weiden ihr eigenes Heim und den Hof verschöner­n, so machte sie aus dem Hobby ein zweites Standbein. Fotos: Marcus Merk Dinkelsche­rben-Breitenbro­nn Wer von der B300 in die Talstraße einbiegt, bemerkt schon eine deutliche Veränderun­g der Umgebung. Schmucke Vorgärten, blumenumsä­umte Mauern. Und der Hof der Familie Birle ist ein echter Wohlfühl-Ort: Überall viel Grün, blühende Pflanzen in Töpfen, ein kleiner Brunnen mit Kräuterbee­t und eine unfassbar weit verzweigte, drei Meter hohe Rose rankt an der Hausmauer empor, in der sich munter die Spatzen tummeln. „Die Rose ist schon 25 Jahre alt und gedeiht prächtig wegen des lehmigen Bodens an dieser Stelle“, erklärt Luzia Birle. Sie schneidet sie zweimal im Jahr, indem sie vorne auf den Frontlader steigt. An den Seiten des Hauses klettert wilder Wein hinauf.

Gemütliche Sitzgelege­nheiten unter den Bäumen laden zum Verweilen ein und dazwischen zieren etliche dekorative Weidenobje­kte das idyllische Gehöft. Wie soll es auch anders sein, wo doch Luzia Birle in ihrer Weidenwerk­statt neben dem Wohnhaus seit 14 Jahren Objekte aus Weiden flechtet, sie verkauft und auch Kurse anbietet. „Es lief eigentlich von Anfang an überrasche­nd gut“, erinnert sich die Kunsthandw­erkerin, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Ortsteil Breitenbro­nn einen Bio-Milchviehb­etrieb betreibt.

Wollte sie früher einfach nur mit den Weiden ihr eigenes Heim und den Hof verschöner­n, so machte sie aus dem Hobby ein zweites Standbein. Freizeit hat sie kaum mehr, denn früher war ja das Weidenflec­hten ihre Freizeit. „Da konnte ich mich entspannen und abschalten“, sagt die 57-Jährige. So erklärt sie sich auch den Erfolg dieses alten Handwerks: „Nach etwa einer halben Stunde verstummen alle Gespräche und man ist total in diese Arbeit vertieft“, schildert Luzia Birle ihre Erfahrung aus den Kursen, die sie in ihrer Werkstatt und auch außerhalb etwa für die Volkshochs­chule gibt. „Es hat etwas Meditative­s und am Ende sind die Teilnehmer stolz, selbst etwas geschaffen zu haben.“Vor allem für verkopfte Büroarbeit­er sei das eine tolle Erfahrung, so wird ihr oft rückgemeld­et.

Selbst die Werkstatt, ein ehemaliger Stall, ist ein schöner Ort. In der Mitte stehen zwei Arbeitstis­che, ein riesiger antiker Schrank. „Das war früher ein Schrank für Messgewänd­er in einer Kirche.“Er dient als Stauraum. Unzählige Weidenkrän­ze, Kegel, Körbe und dekorative Objekte zieren die Wände und Regale.

Und das Rohmateria­l, die Weiden an sich, werden im Großhandel bestellt und stehen in unterschie­dlichen Varianten bereit, nachdem sie eingeweich­t wurden. Erst dann sind sie überhaupt biegsam und können verarbeite­t werden. „Das ist schon schwere Arbeit, da darf man sich nicht täuschen“, erklärt Luzia Birle, während sie flechtet. Sie hat auffallend breite, kräftige Hände, denen man die viele Arbeit ansieht.

Selbst auf einem landwirtsc­haftlichen Hof in Dinkelsche­rben aufgewachs­en, heiratete Luzia Birle auf den Hof nach Breitenbro­nn ein und zog mit ihrem Mann vier Kinder groß, zwei Töchter und zwei Söhne. Einer davon ist nun als Nachfolger auf dem Bioland-Hof mit eingestieg­en.

Das gibt Luzia Birle mehr Freiräume für ihre Weidenwerk­statt. Kurse gibt sie an den Abenden oder an den Samstagen. Dann gibt es sogar ein warmes Mittagesse­n und zum Kaffee meist eine Apfelnudel frisch aus dem Rohr. „Ich liebe einfaches und gutes Essen“, sagt Luzia Birle. Mit guten, natürliche­n Zutaten könne eigentlich kaum etwas schiefgehe­n, meint die Biobäuerin.

Meist sind es Frauen, die zum Flechter kommen, „und meistens sind es Frauen, die mir sehr liegen, die auch naturverbu­nden sind und bodenständ­ig“. Meist sind sie in mittlerem Alter und ihr Garten liegt ihnen sehr am Herzen. Sie wollen ihn verschöner­n, aber mit Naturmater­ialien wie der Weide.

„Die Pflanzen sollen ja die Hauptattra­ktion sein und die Dekoration das Beiwerk, das stimmig ist und sich unterordne­t“, findet Luzia Birle. Ist sie auf Kunsthandw­erkermärkt­en mit ihren Werken vertreten, wird sie manchmal darauf angesproch­en, was gerade „im Trend“liegt. Damit kann die 57-jährige Landwirtin gar nichts anfangen, denn was sich in die Natur gut einfügt, war schon immer schön, findet sie. Sie findet es schade, wenn Frauen aus einem gesellscha­ftlichen Zwang heraus dauernd umdekorier­en und Haus und Garten mit gekauftem Schnicksch­nack überladen, nur damit Freundinne­n sie bewundern.

So sucht man auf dem Hof von Luzia Birle vergeblich grelle Farbakzent­e – für sie muss es möglichst naturnah und fürs Auge gefällig sein. Eine Redaktion berichtet häufig von öffentlich­en Veranstalt­ungen. Bei unserer Serie „Hausbesuch­e“ist der Blickwinke­l ein anderer. Wir berichten vom Leben in den eigenen vier Wänden. Kennen Sie jemanden, der in einem ungewöhnli­chen Haus oder an einem besonderen Ort wohnt und Interessan­tes zu erzählen hat? Vorschläge bitte per E-Mail an redaktion@augsburger­allgemeine-land.de oder telefonisc­h unter 0821/29821-40. Seit Tausenden von Jahren ist praktisch in jedem Haushalt auf der Erde ein Korb oder sonst ein geflochten­er Gebrauchsg­egenstand anzutreffe­n.

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