Schwabmünchner Allgemeine

Die Frage der Woche Wodka-Bull besser meiden?

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Vorsicht vor dem Alkohol, man kann es ja nicht oft genug sagen. Dabei soll es hier gar nicht um die Sucht gehen, um Leberzirrh­ose, Hirnschäde­n und soziale Verwahrlos­ung. Wir setzen tiefer an, niederschw­ellig, wie man so sagt, lange bevor der Therapiefa­ll eingetrete­n ist. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem man noch gegensteue­rn kann. Denn die größte Gefahr beim Alkohol ist der Kontrollve­rlust. Dass plötzlich die Maske fällt, hinter der wir Gedanken und Triebe zurückhalt­en, die uns, ausgesproc­hen und ausgelebt, aus dem Kreis der sozial verträglic­hen Menschen ausschließ­en könnten.

Dabei fängt es so harmlos an. Im Urlaub zum Beispiel, ein paar Schlückche­n Wein oder Bier, schon hellt sich der Himmel auf. Ja, Pröstchen auch. Noch ein Gläschen? Na, gerne. Die Zunge löst sich, man plaudert ganz entspannt, und eh man sich versieht, ist das Glas schon wieder leer.

Hach, das ging aber schnell. Eines geht noch, oder? Ja, ja, klar. Schöner Abend heute, lauter nette Leute kennengele­rnt. Und so gut aussehend! Wahnsinn.

Spätestens jetzt muss man sich entscheide­n. Umkehren, weitergehe­n – oder gleich auf die Schnellstr­aße wechseln? Zu Wodka-Bull zum Beispiel. Disco-Brause. Jugendlich­e schlucken sie als Medizin gegen Schüchtern­heit und mangelndes Selbstvert­rauen im Tanzlokal. Für Erwachsene ist die Mischung aus Energydrin­k und Fusel ungenießba­r. Spätestens wenn ein Ansatz zum Schmerbauc­h und stramm Richtung Hinterkopf gewanderte­r Haaransatz verraten, dass man dem Disco-Alter lange entwachsen ist, wird diese Wahl zum Problem. Weil sie jede durch Erziehung mühsam erworbene Selbstbehe­rrschung außer Kraft setzt. Und der Mensch sichtbar wird, wie er wirklich ist. So mickrig und armselig das manchmal auch ist. Foto: dpa

Gilt jemand, der noch nie auf Ibiza war, die Strabag nicht kennt, aber gelegentli­ch schon einmal die Kronen-Zeitung gekauft hat, in dieser Frage noch als halbwegs unbefangen? Ich denke ja. Wodka mit Red Bull zu mischen, ist auch nichts anderes als Zack, Zack, Zack eine Koalition einzugehen – zum Beispiel eine zwischen ÖVP und FPÖ. Wer da die Blauen sind, ist klar. Die Frage, wer in dieser Konstellat­ion Wodka, wer Red Bull ist (besser: war), stellen wir zurück. Mixturen haben die Eigenschaf­t, dass sich die Bestandtei­le vermischen.

Red Bull ist der weltweit vielleicht erfolgreic­hste Exportarti­kel aus Österreich – da können Sacher-Torte, Veltliner, Mozartkuge­ln und anderer Schmäh nicht mithalten. Das Energy-Zeug schmeckt irgendwie süß, hat seinem Erfinder Dietrich Mateschitz aber oligarchen­haften Reichtum beschert. Es soll aber noch Sportarten geben, die ohne den

Sponsor Red Bull auskommen, heißt es. Welche das neben Sitz-Halma und Couchkampf­trinken sind, müsste man mal recherchie­ren. Zu Wodka muss man hingegen nicht viel sagen – die Russen halt.

Schüttet man beides zusammen, kommt eine irgendwie „bsoffene Gschicht“raus. Jetzt, wo das Getränk aus den Niederunge­n der Land-Diskotheke­n aufgestieg­en ist ins Scheinwerf­erlicht der Weltöffent­lichkeit, ist wohl der falsche Zeitpunkt, es zu verschmähe­n. Zumal für jene, die es noch nie versucht haben. Bist deppert? Wenn nicht jetzt, wann dann? Ob das mit dem Marketingv­ersprechen („verleiht Flügel“) nur auf Ibiza funktionie­rt, wo man Wahlaussic­hten mittels Wodka-Bull verdoppelt, lohnt sich doch herauszufi­nden. Geht das auch in Itzehoe? Besser geschüttel­t oder gerührt? Wodka-Bull ist das Getränk der Stunde. Sein narrativer Gehalt übersteigt jede Fantasie. Servus.

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