Die Politik muss die Bürger ernst nehmen
Die Zeit, in denen Entscheidungen von oben einfach hingenommen wurden, sind vorbei. Wer punkten will, muss sich die Sorgen der Wähler anhören. Doch im Gegenzug haben auch Politiker Rechte
Es gibt Tage, da ist es wie früher. Die mit den dicksten Muckis lassen sie auch spielen. Die Politiker mit der meisten Macht entscheiden ohne Rücksicht auf das, was vorher war. Konkret: Erst ließ man eine Schule und die Eltern diskutieren, ob der Name Werner Egk angemessen ist. Sie sagten nein. Doch am Ende sagte die Politik ja. Mit „den Bürger ernst nehmen und einbinden“hat das so viel zu tun wie ein Bobby Car mit einem Ferrari. Leider lässt sich dieser Fall nicht parteineutral erzählen. Hier war es die CSU, die im Augsburger Stadtrat nun mal die dicksten Muckis hat. Grundsätzlich kann aber auch jede andere Partei so handeln, die die Macht dazu hat. Das Recht hat sie, und es geht auch nicht um die Sache. Doch so kann man nicht vorgehen. Wer es nicht glaubt, mache einen Versuch.
Lassen Sie die Familie über das nächste Urlaubsziel abstimmen. Sagt die Mehrheit Strandurlaub, antworten Sie: „Danke für die Mitarbeit. Wir gehen also Wandern!“Viel Spaß – mit der Familie und den Bürgern. Mit Letzteren ist es ehrlich gesagt heute noch komplizierter als früher. Augsburg wandelt sich durch Zuzüge rasant. Die Zeiten, als Pfarrjugend, Sportverein und Stadtteil feste Anker waren, sind vorbei. Man lebt viel freier und ungebundener. Die Wünsche sind vielfältig und jeder kann sie dank Digitalisierung auch verbreiten. Das allein schon stellt vor allem Volksparteien vor große Herausforderungen. Und dann stellen sich plötzlich auch noch Schüler freitags auf die Straße, schwänzen und streiken fürs Klima – und Eltern lassen sich anstecken. So ein Durcheinander. Ist das nicht undankbar? Wann hören die eigentlich auf?
Keine Ahnung, warum sollten sie auch? Die Frage ist eher, warum sie zusätzlich zu den „Fridays for Future“nicht noch „Montage für anständige Schulen“starten. Es nutzt auch nichts, zu beklagen, dass sie in den Ferien in den Urlaub fliegen und den Klimaschutz ignorieren. Man kann im SUV auf der B 17 fahren und mehr Radwege fordern. Warum? Weil man auch schon immer in der Primark-Jeans während der Demo auf dem Rathausplatz faire Löhne fordern konnte und schon immer am Sonntag um 10 Uhr am Kuhsee beklagen konnte, dass das Christliche verschwindet, statt in die Kirche zu gehen. Klar ist, dass sich gerade Volksparteien mit ihren großen Strukturen schwer tun, aktuelle Stimmungen und Emotionen, die heute die Politik prägen, aufzunehmen. Doch all das Wehklagen ist sinnlos. Mit Blick auf die Kommunalwahl 2020 muss die Augsburger Politik Angebote machen – ehrliche.
Das betrifft zum Beispiel die Kandidatenlisten für den Stadtrat. Reichte es früher, jeden Ortsverband, große Vereine und Gruppierungen gut abzubilden, so braucht man heute ein „Wow“, um auch Leute abzuholen, die mit all dem wenig am Hut haben. Die CSU hat für den heutigen Samstag schon Überraschungen angekündigt, und die SPD will sich auch nicht lumpen lassen. Gute Personen sind wichtig, um sich vom großen Trend in Land und Bund abzukoppeln, der für die beiden klassischen Volksparteien nicht erfreulich war. Und profitieren die Grünen automatisch oder wird vor Ort anders gewählt? Wer das erreichen will, muss mehr machen als eine gute Liste.
Er muss die Bürger ernst nehmen, siehe oben. Er muss vor Ort präsent und aktiv sein. Nicht mit großen Reden, sondern mit konkreter Arbeit. Da ist der Kanal verstopft, dort wird falsch geparkt und hier liegt ständig Müll herum. Auch dafür sind Stadträte da und viele widmen sich genau diesen Jobs. Und gerade CSU und SPD mit ihrem (noch) großen Apparat aus Ortsverbänden und Unterbezirken wären eigentlich im Vorteil. Weiß noch jeder, dass Kommunalpolitiker genau für die vermeintlich kleinen Dinge da sind und nicht für die große Parteipolitik in München und Berlin?
Eigentlich müsste dank Internet und Sozialer Medien jeder davon wissen. Manchmal wirkt es jedoch anders. Die Parteien nutzen immer mehr diese Kanäle – und müssen es auch. Sie können praktisch, lästig und abstoßend sein. Sie sind zum einen eine demokratische Chance. Die Bürger haben – neben dem immer noch willkommenen Anruf bei der Zeitung – die Chance, nachzufragen, zu diskutieren. Sie sind aber auch eine Plage, weil mancher auf dem Weg ins Netz sämtliche Manieren vergisst und in Hass verfällt. Das ist ein Unding, Politiker haben das nicht verdient. Sie arbeiten gerade vor Ort ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Es sind Menschen wie Du und ich, mit Stärken und Macken. Klar gibt es welche, über die man denkt: Oh Mann! Aber gibt es die nicht auch im Büro und der Werkshalle? Kommunalpolitiker haben Respekt verdient. Und die Bürger ein ehrliches Miteinander. Muskelspiele sind von gestern.