Romantischer Spuk
Er stand nicht auf dem Programm, Johann Sebastian Bach schien aber gegenwärtig, als Max Regers Klangfluten durch den Kirchenraum von ev. St. Ulrich strömten. Der junge Münchner Kasimir Sydow sprang bei „30 Minuten Musik“für den erkrankten, in den USA tätigen Christoph Hintermüller in die Bresche und bot für dessen vielversprechendes Programm amerikanischer Orgelmusik mehr als einen „Ersatz“.
Regers Fantasie und Fuge d-Moll op. 135 war Höhepunkt des Abends und wurde von Sydow als spannungsvolles Ereignis dargeboten. Eher möchte man sagen „inszeniert“, denn wie dieses Oberpfälzer Genie die barocke Vorgabenform in die fantastischen Räume romantischer Visionen zieht, immer wieder von Bachs übergroßem Universum „eingefangen“scheint, wirkt wie die bildstarke Szenenfolge eines imaginären Theaterstücks. Da mutieren schlichte lineare Verläufe zu anschwellenden Katarakten, angetrieben und modelliert von schillernd mäandernden Harmonien, die tonale Grenzen berühren, da wird ein gemütvoll schaukelnder Figurenreigen zum gewaltigen Aufmarsch – romantischer Spuk.
Dies realisierte Sydow auf der Orgel, die neben den barocken Kernelementen eine farbenreiche Registerpalette und moderne Technik anbietet, mit überlegener Präzision. Eingeleitet hatte er mit Präludium und Fuge des Buxtehude-Schülers Nicolaus Bruhns, der, wie Reger, mit unorthodoxen Mitteln die strenge Form umspielt.