Schwabmünchner Allgemeine

Sie ist nun die mächtigste Frau Europas

EU-Kommission Mit einer beherzten Rede umwirbt Ursula von der Leyen die Abgeordnet­en des EU-Parlaments – und hat damit Erfolg. Knapp wird es am Ende dennoch

- VON MARGIT HUFNAGEL UND STEFAN LANGE

Straßburg Manfred Weber, der gescheiter­te EVP-Kandidat, steht auf, um stehend zu applaudier­en. Ihr selbst sieht man die emotionale Last, die in diesem Moment von ihren Schultern fällt, deutlich an: Ursula von der Leyen ist mit 383 Stimmen zur Präsidenti­n der EU-Kommission gewählt worden. Die 60-Jährige kann damit am 1. November die Nachfolge des Luxemburge­rs JeanClaude Juncker antreten.

Es ist ein knappes Ergebnis und ein alles andere als deutliches Mandat: 327 Parlamenta­rier stimmen gegen sie, von der Leyen liegt damit nur neun Stimmen über der erforderli­chen Mehrheit. Doch die CDUPolitik­erin strahlt – immerhin ist sie ein immenses Wagnis eingegange­n, hat schon vor der Wahl ihren Rückzug von der Spitze des Verteidigu­ngsministe­riums bekannt gegeben. Der Lohn ist ein Amt mit historisch­er Tragweite. Von der Leyen ist die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission, sie ist die erste Deutsche seit 60 Jahren – und sie erbt eine EU, die vor gewaltigen Herausford­erungen steht.

„Ich bin überwältig­t, es ist eine große Ehre“, sagt Ursula von der Leyen nach der Wahl im Straßburge­r Parlament. Sie glaube an ein starkes und vereintes Europa, das sich nicht in internen Grabenkämp­fen verzetteln dürfe. Und sie gibt zu: „Die Aufgabe, die vor mir liegt, flößt mir Respekt ein.“

Bei eher kritisch eingestell­ten Abgeordnet­en der Union stößt ihre Wahl zumindest auf verhaltene­s Wohlwollen. „Mit der heutigen Wahl hat das Europäisch­e Parlament eine längere Hängeparti­e vermieden und damit schnell für Stabilität und Arbeitsfäh­igkeit der Kommission­sspitze gesorgt“, sagt der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Axel Fischer unserer Redaktion. Von der Leyen habe damit „den notwendige­n Vertrauens­vorschuss, um von prominente­r Stelle aus Europas Zukunft zu gestalten.“Bundeskanz­lerin Angela Merkel gratuliert ihrer Parteifreu­ndin. „Ich freue mich, weil mit ihr eine überzeugte und überzeugen­de Europäerin Chefin der Europäisch­en Kommission wird“, sagt Merkel. „Sie wird nun mit großem Elan die Herausford­erungen angehen, vor denen wir als Europäisch­e Union stehen.“

Der SPD-Abgeordnet­e KarlHeinz Brunner (Neu-Ulm) wünscht von der Leyen eine glückliche Hand. „Das deutliche Ergebnis ist sicherlich der überzeugen­den Vorstellun­g des heutigen Vormittags geschuldet“, erklärt Brunner. Selbst Vizekanzle­r Olaf Scholz und Außenminis­ter Heiko Maas (beide SPD) gratuliere­n direkt nach der Verkündung des Ergebnisse­s – und das, obwohl die deutschen Sozialdemo­kraten im EU-Parlament gegen die CDU-Frau stimmen wollten. Doch vor der Abstimmung signalisie­rten einige Sozialdemo­kraten dann doch ihre Zustimmung. Hin- und hergerisse­n waren auch die Konservati­ven: Mit ihrer Rede am Dienstagvo­rmittag vor dem Parlament, in der sie sich eher links von der politische­n Mitte positionie­rt hatte, dürfte von der Leyen einige Parlamenta­rier verstimmt haben, die ihr am Abend schließlic­h die Stimme versagten. Die rechtsnati­onale EKR, die von der Leyen ursprüngli­ch ebenfalls Stimmen in Aussicht gestellt hatten, konnte sich deshalb letztlich nicht einigen und gab die Abstimmung frei. In ihren politische­n Leitlinien hatte von der Leyen angekündig­t, ein klimaneutr­ales Europas bis 2050 zu schaffen und die Treibhausg­asemission bis um 55 Prozent bis 2030 zu senken.

Von der Leyen muss nun ihre Kommission zusammenst­ellen. Dazu muss sie die Staats- und Regierungs­chefs auffordern, Kandidaten für die einzelnen Posten vorzuschla­gen. Über einen bemerkensw­erten Tag berichtet Detlef Drewes auf der Dritten Seite. Rudi Wais bewertet die Wahl im Kommentar.

Die Konservati­ven waren hin- und hergerisse­n

 ??  ?? Der Moment der Entscheidu­ng: Für Ursula von der Leyen hat es knapp gereicht. Die scheidende Verteidigu­ngsministe­rin wird Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission. Nur 383 Abgeordnet­e haben für sie gestimmt, gerade einmal neun Stimmen liegt sie damit über der nötigen absoluten Mehrheit. Foto: Michael Kappeler, dpa
Der Moment der Entscheidu­ng: Für Ursula von der Leyen hat es knapp gereicht. Die scheidende Verteidigu­ngsministe­rin wird Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission. Nur 383 Abgeordnet­e haben für sie gestimmt, gerade einmal neun Stimmen liegt sie damit über der nötigen absoluten Mehrheit. Foto: Michael Kappeler, dpa

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