Schwabmünchner Allgemeine

Soldaten brauchen Anerkennun­g

Ursula von der Leyen hat als Ministerin alte Probleme gelöst. Nun gibt sie neue weiter. Ihre Nachfolger­in muss das gestörte Verhältnis zur Truppe jetzt kitten

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Ursula von der Leyens Bilanz als Bundesvert­eidigungsm­inisterin fällt äußerst gemischt aus. In ihrer fünfeinhal­bjährigen Amtszeit hat die CDU-Politikeri­n bei der krisengesc­hüttelten Bundeswehr eine Trendwende eingeleite­t. Zumindest in einem wichtigen Punkt: Was die Ausrüstung der Truppe betrifft, ist die Zeit des jahrzehnte­langen, gefährlich­en Sparkurses endlich vorbei. Doch unter von der Leyen ist es auch zu einer gefährlich­en Entfremdun­g zwischen Bundesregi­erung und Soldaten gekommen. Ihre designiert­e Nachfolger­in Annegret KrampKarre­nbauer steht vor einer mehr als undankbare­n Aufgabe.

Es war nicht die Schuld der amtierende­n Verteidigu­ngsministe­rin, dass deutsche Soldaten noch vor wenigen Monaten ihre Ausrüstung für das Nato-Manöver im winterlich­en

Norwegen bei verschiede­nen Einheiten zusammenbo­rgen mussten. Und auch für die maroden Hubschraub­er und Kampfflugz­euge, die defekten Panzer und U-Boote kann sie wenig. Viele Aufträge hat von der Leyen erteilt, doch es wird noch Jahre dauern, bis das Material auch bei den Soldaten ankommt. Für die generelle Misere der Bundeswehr sind andere verantwort­lich, die Geschichte des Scheiterns reicht lange zurück.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs galt die Armee in der Politik plötzlich als nachrangig, ja verzichtba­r. Milliarden­schwere Kürzungen bei der Bundeswehr wurden als Friedensdi­vidende verbucht. Doch der Umbau von einer Truppe, die Ende der 1980er Jahre eine halbe Million Soldaten hatte und ganz auf Landesvert­eidigung eingestell­t war, zu einer schlanken Armee für internatio­nale Kriseneins­ätze misslang gründlich. Die Ausrüstung veraltete, Standortsc­hließungen und Umstruktur­ierungen sowie der Wechsel von der Wehrpflich­t zur Freiwillig­enarmee sorgten für Chaos und Frust. Als Ursula von der Leyen das Wehrressor­t übernahm, kam ihr zugute, dass bereits ein Umdenken eingesetzt hatte. Nicht zuletzt weil die USA – übrigens schon unter Donald Trumps Vorgänger Barack Obama – die Bundesrepu­blik eindringli­ch an ihre Nato-Verpflicht­ungen erinnerten, wuchsen die Budgets. Um die zusätzlich­en Milliarden schnell und effektiv in Ausrüstung umzumünzen, umging die Ministerin das schwerfäll­ige Beschaffun­gswesen und heuerte teure Berater an. Dabei scheint von der Leyen deutlich über das Ziel hinausgesc­hossen zu sein, der Bundesrech­nungshof rügte Unregelmäß­igkeiten bei der Vergabe millionens­chwerer Aufträge an die externen Experten. Ein Untersuchu­ngsausschu­ss im Bundestag soll die Vorwürfe aufklären. Eines steht jetzt schon fest: Dass die Berater im Ministeriu­m zeitweise offenbar Zeichnung: Stuttmann schalten und walten konnten wie Beamte, sorgte für böses Blut in der Truppe. Geliebt hatten die Soldaten die Ministerin ohnehin nie, die stets perfekt frisiert und schick gekleidet zur Visite auf schlammige­n Truppenübu­ngsplätzen erschien. Doch das Verhältnis verschlech­terte sich immer mehr.

Es ist durchaus ein Verdienst von der Leyens, dass sie nie auch nur den Hauch eines Zweifels daran zuließ, dass extremisti­sche Umtriebe in der Truppe inakzeptab­el sind. Als sie aber im Fall des mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen Franco A. der Bundeswehr insgesamt ein „Haltungspr­oblem“und „Führungssc­hwäche“attestiert­e, richtete sie einen gewaltigen Kollateral­schaden an. Nun sahen sich alle Soldaten, von denen die überwältig­ende Mehrheit felsenfest auf dem Boden des Grundgeset­zes steht, unter Generalver­dacht gestellt. Zuletzt war die Stimmung eisig. Den Soldaten echte Wertschätz­ung zu vermitteln für ihren Dienst am Land – das hat Ursula von der Leyen nicht geschafft. Ihrer Nachfolger­in muss das nun gelingen.

Die Berater-Affäre ist noch nicht ausgestand­en

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