Schwabmünchner Allgemeine

Paukenschl­ag im Kabinett

Hintergrun­d Annegret Kramp-Karrenbaue­r muss ihr Profil schärfen. Deshalb rückt sie für Ursula von der Leyen im Verteidigu­ngsministe­rium nach. Es ist ein gewagter Schritt

- VON MARGIT HUFNAGEL UND STEFAN LANGE

Berlin Der Posten des Verteidigu­ngsministe­rs gilt als Schleuders­itz. Täglich können Probleme und Skandale die Karriere beenden. Das weiß auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Auf der anderen Seite sagen viele im politische­n Berlin: Wer diesen Schleuders­itz-Job unbeschade­t übersteht, der hat seine Bewährungs­probe für die Kanzlerkan­didatur überstande­n. Und das dürfte auch der Grund sein, warum AKK den Schritt wagt: Sie rückt für Ursula von der Leyen nach und übernimmt das Verteidigu­ngsministe­rium. Das bestätigte am Abend Thomas Strobl, CDU-Vizechef, unserer Redaktion. Zuvor hatte es wilde Spekulatio­nen gegeben, dass Jens Spahn das Ministeriu­m erhält. Doch der ewige Konkurrent unterlag auch diesmal.

Die Personalie ist ein Paukenschl­ag: Immer wieder hatte es geheißen, Kramp-Karrenbaue­r wolle nicht ins Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel gehen, sondern sich auf die Aufgabe als CDU-Chefin konzentrie­ren. „Ich habe mich bewusst entschiede­n, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln. Es gibt in der CDU viel zu tun“, sagte die 56-Jährige erst kürzlich der Bild-Zeitung. Das war allerdings, bevor Ursula von der Leyen in Straßburg mit knapper Mehrheit gewählt wurde. In Präsidiums­kreisen wurde von einem starken Signal von Kramp-Karrenbaue­r gesprochen. Auch in dieser Runde sei die Entscheidu­ng für viele völlig überrasche­nd gekommen, hieß es. Wie zu erfahren war, sind ansonsten keine Veränderun­gen im Bundeskabi­nett geplant. Die Vereidigun­g sei für diesen Mittwoch vorgesehen. Somit nimmt Merkel an ihrem 65. Geburtstag ihre Wunschnach­folgerin als Kanzlerin in ihre Regierungs­mannschaft auf.

Merkel hatte Stunden zuvor bereits angekündig­t, die wichtige Funktion könne man nicht unbesetzt lassen. „Es wird eine sehr schnelle Neubesetzu­ng geben. Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium, der Verteidigu­ngsministe­r oder die Ministerin, sind Inhaber der Befehlsund Kommandoge­walt. Das kann man nicht lange offen lassen“, sagte die Kanzlerin in Berlin.

Auf Kramp-Karrenbaue­r wartet eine schwierige Aufgabe – deren sie sich aber offenbar bewusst ist. Erst im Frühjahr hatte sie in einem Interview gesagt: „Eine der größten offenen politische­n Flanken, die wir im

Moment in den Debatten mit den Vereinigte­n Staaten haben, um zum Beispiel Strafzölle auf deutsche Autos abzuwenden, ist der Vorwurf, dass wir eine Vereinbaru­ng, zu der wir uns verpflicht­et haben, nämlich in der Nato unsere Ausgaben auf zwei Prozent zu steigern, seit Jahren nicht einhalten.“Das wird nicht ihre einzige Baustelle sein. Mit Schlagzeil­en über die Kostenexpl­osion der „Gorch Fock“und der „Berateraff­äre“hat das Ministeriu­m zuletzt Schlagzeil­en gemacht. Aufreger in Berlin, aber sicher politisch eher „peanuts“. Die eigentlich­en

Herausford­erungen für die neue Ministerin sind nach Einschätzu­ng von Militärexp­erten drei Punkte: Die Modernisie­rung und Instandhal­tung von Waffensyst­emen und Material mit der Neuordnung des lähmenden Beschaffun­gswesens. Die Personalge­winnung angesichts zunehmende­r Konkurrenz um Fachkräfte. Zudem die Digitalisi­erung der Armee. Dazu gehören die Vernetzung von Waffensyst­emen, die Cyberarmee sowie der technisch und moralisch herausford­ernde Einsatz von Systemen Künstliche­r Intelligen­z.

Überhaupt hat das Amt einige Tücken. Trotzdem setzt man in der Union große Hoffnungen in die Rochade. „Das ist eine mutige Entscheidu­ng“, sagte Andreas Jung, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Unionsfrak­tion, unserer Redaktion. „Ich traue AKK das Amt zu und wünsche ihr viel Erfolg.“Für Kramp-Karrenbaue­r ist das Amt eine Chance, sicherheit­spolitisch Profil zu gewinnen. Kanzleramt­schef Helge Braun sagte, es sei ein starkes Signal von Kramp-Karrenbaue­r an die Bundeswehr, dass sie als CDU-Vorsitzend­e dieses traditione­ll schwierige Amt übernehme. Der thüringisc­he CDU-Vorsitzend­e Mike Mohring hat die Entscheidu­ng von CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer zum Wechsel ins Verteidigu­ngsministe­rium als starkes Signal begrüßt. „Ich war seit der Wahl von AKK der festen Überzeugun­g, dass die Parteivors­itzende der CDU dort hingehört, wo die Entscheidu­ngen

getroffen werden. Das ist der Kabinettst­isch“, sagte Mike Mohring.

Es gibt in der Union schon seit langem die Forderung, KrampKarre­nbauer solle ins Kabinett einziehen, um damit ihre Machtoptio­nen zu verbessern. Das Ehrenamt der Parteivors­itzenden biete keine genügend breite Bühne, um Einfluss auf die große Politik zu nehmen, hieß es. Auch Merkel hatte intern schon länger klargemach­t, dass sie Kramp-Karrenbaue­r ins Kabinett holen werde, wenn diese das wolle.

Die frühere saarländis­che Ministerpr­äsidentin hatte erst im Dezember den CDU-Vorsitz übernommen und sich dabei gegen den früheren Unions-Fraktionsc­hef Friedrich Merz und Gesundheit­sminister Spahn durchgeset­zt. Verteidigu­ngspolitis­ch ist die CDU-Chefin bislang kaum in Erscheinun­g getreten. Die in Völklingen geborene KrampKarre­nbauer war von 2011 bis 2018 Ministerpr­äsidentin im Saarland und CDU-Landesvors­itzende gewesen. Zuvor war sie in diesem Bundesland schon in mehreren Ressorts Ministerin gewesen. Die CDU-Politikeri­n hatte nach dem Abitur Rechts- und Politikwis­senschafte­n studiert. In die CDU trat sie 1981 ein. Kramp-Karrenbaue­r ist verheirate­t und hat drei Kinder.

„Das ist eine mutige Entscheidu­ng.“Andreas Jung, stellvertr­etender Unionsfrak­tionschef, über den Wechsel von Annegret Kramp-Karrenbaue­r ins Ministeriu­m

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Kaum ist die Überraschu­ng von der Leyen verdaut, kommt schon die nächste unerwartet­e Personalie: Kramp-Karrenbaue­r übernimmt das Verteidigu­ngsministe­rium.

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