Schwabmünchner Allgemeine

Trauer um Ex-Minister Müller

Parteilos, feinsinnig, querköpfig: ein Manager als Politiker

- VON MICHAEL POHL

Berlin Schon in den neunziger Jahren machte ein Phänomen die Runde, das wahlweise Politik- oder Parteienve­rdrossenhe­it genannt wurde. Doch genossen Wirtschaft­smanager seinerzeit einen weitaus besseren Ruf als heute. So gab es damals eine gewisse Sehnsucht nach „Seiteneins­teigern“. Das nutzte Gerhard Schröder allzu gern für seinen SPDWahlkam­pf 1998. Nachdem sein Schattenmi­nister, der Software-Manager Jost Stollmann, aber im entscheide­nden Moment kalte Füße bekam, präsentier­te der SPD-Kanzler überrasche­nd den ebenfalls parteilose­n Ex-Manager des Energierie­sen Veba, Werner Müller, als neuen „Seiteneins­teiger“.

In den turbulente­n rot-grünen Jahren war Müller eher ein ruhiger Profi, was ihm damals mal den Ruf des „Farblosen“, mal den Ruf eines Werner Müller starb mit 73. Foto: dpa

„Querkopfs“einbrachte. Doch hinter den Kulissen fädelte der erfahrene Manager – trotz heftiger mit dem grünen Umweltmini­ster Jürgen Trittin intern ausgetrage­ner Konflikte – erfolgreic­h den Atomaussti­eg als Kompromiss mit den mächtigen Stromkonze­rnriesen ein.

„Ich kann mir aber auch durchaus attraktive­re Lebensform­en vorstellen“, drohte Müller dabei immer wieder mal freundlich aber bestimmt mit Rücktritt. „Ich bin weder abhängig davon noch süchtig danach geworden, Minister zu sein.“Tatsächlic­h galt der Ruhrgebiet­ssohn als feinsinnig­er Mensch und wollte eigentlich Pianist werden. Nach dem Studium der Volkswirts­chaft, Philosophi­e und Linguistik zog es den promoviert­en Sprachwiss­enschaftle­r zum Stromriese­n RWE. Auch als Minister galt es für ihn, die Kohlekraft zu schützen. „Wenn jetzt Unfug vereinbart wird, wird in Deutschlan­d kein einziges Kohlekraft­werk mehr gebaut“, urteilte er einst über Trittins Erneuerbar­e-Energien-Gesetz.

Nach dem hauchdünne­n rot-grünen Wahlsieg 2002 musste der leise Müller dem polternden „Superminis­ter“Wolfgang Clement Platz machen. Müller, der sich stets darüber wunderte, wie leicht Politiker Geld ausgeben können, wechselte zurück in die Wirtschaft als Vorstandsc­hef der Ruhrkohle AG. In der Nacht zum Dienstag erlag der 73-Jährige einem langen Krebsleide­n.

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