Trauer um Ex-Minister Müller
Parteilos, feinsinnig, querköpfig: ein Manager als Politiker
Berlin Schon in den neunziger Jahren machte ein Phänomen die Runde, das wahlweise Politik- oder Parteienverdrossenheit genannt wurde. Doch genossen Wirtschaftsmanager seinerzeit einen weitaus besseren Ruf als heute. So gab es damals eine gewisse Sehnsucht nach „Seiteneinsteigern“. Das nutzte Gerhard Schröder allzu gern für seinen SPDWahlkampf 1998. Nachdem sein Schattenminister, der Software-Manager Jost Stollmann, aber im entscheidenden Moment kalte Füße bekam, präsentierte der SPD-Kanzler überraschend den ebenfalls parteilosen Ex-Manager des Energieriesen Veba, Werner Müller, als neuen „Seiteneinsteiger“.
In den turbulenten rot-grünen Jahren war Müller eher ein ruhiger Profi, was ihm damals mal den Ruf des „Farblosen“, mal den Ruf eines Werner Müller starb mit 73. Foto: dpa
„Querkopfs“einbrachte. Doch hinter den Kulissen fädelte der erfahrene Manager – trotz heftiger mit dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin intern ausgetragener Konflikte – erfolgreich den Atomausstieg als Kompromiss mit den mächtigen Stromkonzernriesen ein.
„Ich kann mir aber auch durchaus attraktivere Lebensformen vorstellen“, drohte Müller dabei immer wieder mal freundlich aber bestimmt mit Rücktritt. „Ich bin weder abhängig davon noch süchtig danach geworden, Minister zu sein.“Tatsächlich galt der Ruhrgebietssohn als feinsinniger Mensch und wollte eigentlich Pianist werden. Nach dem Studium der Volkswirtschaft, Philosophie und Linguistik zog es den promovierten Sprachwissenschaftler zum Stromriesen RWE. Auch als Minister galt es für ihn, die Kohlekraft zu schützen. „Wenn jetzt Unfug vereinbart wird, wird in Deutschland kein einziges Kohlekraftwerk mehr gebaut“, urteilte er einst über Trittins Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Nach dem hauchdünnen rot-grünen Wahlsieg 2002 musste der leise Müller dem polternden „Superminister“Wolfgang Clement Platz machen. Müller, der sich stets darüber wunderte, wie leicht Politiker Geld ausgeben können, wechselte zurück in die Wirtschaft als Vorstandschef der Ruhrkohle AG. In der Nacht zum Dienstag erlag der 73-Jährige einem langen Krebsleiden.