US-Richter senkt Strafe für Bayer
Chemie Ein Mann hatte den Unkrautvernichter Glyphosat verwendet und erkrankte an Krebs. Der Hersteller muss jetzt weniger zahlen. Bayer ist damit aber noch lange nicht aus dem Schneider
San Francisco Eine geringere Strafe für Bayer in einem Glyphosat-Prozess in den USA lässt die Leverkusener nur bedingt aufatmen. Zwar reduzierte ein US-Richter den von Geschworenen geforderten Schadenersatz am Montag um rund 55 Millionen US-Dollar auf etwas mehr als 25 Millionen Dollar – rund 22,2 Millionen Euro. Insgesamt waren anfangs über 80 Millionen Euro Strafe verhängt worden. Am grundsätzlichen Problem für Bayer ändert das aber wenig. Bayer und der 2018 von dem Dax-Konzern gekaufte Saatgutriese Monsanto sind in den USA weiterhin mit mehr als 13400 Klagen wegen möglicher Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter konfrontiert. Und die aktuelle Entscheidung des Richters Vince Chhabria wird die Kläger und ihre Anwälte kaum entmutigen.
„Auf Basis der im Prozess vorgelegten Beweise, verdient Monsanto eine Bestrafung“, schrieb Richter Chhabria in seiner Urteilsbegründung. Die Beweise unterstützten die Schlussfolgerung der Geschworenen, dass Monsanto mehr auf ein Herunterspielen von Sicherheitsbedenken bedacht gewesen sei, als darauf, die Sicherheit des Produktes zu gewährleisten. Am eigentlichen Schadenersatz von gut fünf MillioDollar für den Kläger Edwin Hardeman hielt Chhabria denn auch fest. Den Strafschadenersatz, der im US-Recht als Zusatzsanktion bei besonders schweren Entschädigungsfällen verhängt werden kann, senkte der Richter allerdings von 75 auf 20 Millionen Dollar – vor allem, weil das Verhältnis von regulärem zu Strafschadenersatz sonst den verfassungsrechtlich angemessenen Rahmen überschritten hätte.
In den USA gibt es Bundesstaaten in denen die Jury das Strafmaß bestimmt, in anderen setzen die Richter die Strafe fest. Daneben gibt es die Möglichkeit, dass die Jury ein Strafmaß festsetzt, der Richter aber ein Veto einlegt und die Strafe korrigieren kann – wie im vorliegenden Fall.
Die Entscheidung in San Francisco verdeutlicht laut dem Analysten Michael Leacock vom Investmenthaus Mainfirst die Crux für Bayer. So könne der Konzern weiterhin offenbar nicht beweisen, dass Glyphosat sicher sei, was im Umkehrschluss Geschworene zur Annahme verleiten könnte, dass das Produkt unsicher sei. Auch in weiteren Prozessen könnten die Geschworenen daher zugunsten der Kläger entscheiden. Bayer betont indes weiter die Sicherheit von Glyphosat und verweist auf zahlreiche wissenschaftliche Studien.
In einer Mitteilung bezeichnet ein Unternehmenssprecher die Verringerung der Strafe zwar als einen „Schritt in die richtige Richtung“. Gleichzeitig zweifeln die Leverkusener aber die Entscheidung über einen Schadenersatz grundsätzlich an, da sie nicht durch die vorgelegten Beweise gestützt werde. Bayer kündigte daher an, bei einem Berufungsgericht Widerspruch einzulegen. Hardeman war der zweite Fall, der verhandelt wurde und in dem Bayer unterlegen war. Auch beim ersten Fall aus dem Jahr 2018 wurde die Strafe später stark verringert. Im jüngsten Fall im Mai hatte eine USnen Jury einem an Krebs erkrankten Rentnerehepaar insgesamt sogar gut zwei Milliarden Dollar zugesprochen. Allerdings kündigte Bayer auch hier umgehend an, das Urteil anzufechten.
Der Leverkusener Bayer-Konzern hatte Monsanto vergangenes Jahr für rund 63 Milliarden Dollar übernommen, was sich als riskant entpuppte. Die Aktionäre verweigerten Bayer-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung im April sogar die Entlastung. Von einer „Schande“und einem „Scherbenhaufen“war mit Blick auf den Monsanto-Kauf die Rede. Wenn auch ohne rechtliche Folgen, war es mehr als nur eine Gelbe Karte, nachdem Bayers Börsenwert angesichts der drohenden Strafen zwischenzeitlich unter den MonsantoKaufpreis gefallen war. Trotz der jüngsten Kurserholung notieren die Papiere noch fast 36 Prozent tiefer als vor der ersten Prozessschlappe vor knapp einem Jahr.
Richter Chhabria, an dessen Gericht in San Francisco mehrere Hundert Klagen gebündelt sind, drängt die Streitparteien zu einer gütlichen Einigung und setzte daher unlängst einen weiteren als Musterfall gedachten Prozess auf unbestimmte Zeit aus. (dpa)