Punktabzug für Rechtschreibfehler
Bildung Schlechtere Noten wegen Fehlern im Diktat sind in der Schule normal. Doch in Baden-Württemberg könnten Orthografie-Schwächen bald auch in anderen Fächern Konsequenzen haben. Was bayerische Lehrer dazu sagen
Augsburg Orthografie? Oder Orthographie? Oder doch Ortografie? Wer sich fragt, welche Variante dieses sperrigen Fachbegriffs die richtige ist, kann sich auch mit einem anderen Wort begnügen: Orthografie ist Rechtschreibung. Die Lehre von der richtigen Schreibweise der Wörter, so wie sie an Schulen vermittelt wird. In Baden-Württemberg könnten Rechtschreibfehler für Schüler bald Folgen haben – nicht nur im Fach Deutsch. Eine Verordnung soll das untermauern: „Schwerwiegende und gehäufte Rechtschreibfehler können bei der Bewertung der Leistung mit einem Notenabzug bis zu einer Note geahndet werden“, heißt es in einem Entwurf des Kultusministeriums. Dies soll für alle Fächer gelten.
Die Idee ist nicht neu. In BadenWürttemberg gab es in der Notenbildungsverordnung bis 2002 schon eine Regelung, wie Rechtschreibfehler bewertet werden sollen. Nun will Kultusministerin Susanne Eisemann die Vorgabe wieder einführen. „Rechtschreibung ist eine elementare Kulturtechnik und gehört wie Lesen und Rechnen zu den Schlüsselqualifikationen“, erklärte sie. Die Regelung soll Lehrer zudem rechtlich absichern, wenn sie Punkte für Rechtschreibfehler abziehen. Im kommenden Schuljahr könnte die Verordnung schon in Kraft treten. Kinder, die an einer Rechtschreibschwäche leiden, haben aber nichts zu befürchten. Für sie, und für Grundschüler, soll die Regelung nicht gelten.
In Bayern gibt es für Gymnasien, Real- und Mittelschulen ähnliche Vorgaben in der Schulordnung. Dort heißt es: „Bei schriftlichen Arbeiten sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit sowie Ausdrucksmängel zu kennzeichnen und können angemessen bewertet werden.“Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands BLLV, sagt dazu: „Ob man eine höhere Rechtschreib-Kompetenz mit schärferen Vorgaben erreichen kann, ist fraglich.“Ihr Verband setze sich kritisch damit auseinander, wie Noten vergeben werden. „Wir wollen vor allem Stärken fördern.“An Grundschulen gelte bei der Notenvergabe grundsätzlich: Inhalt geht vor Rechtschreibung – außer im Fach Deutsch. Anders verhält es sich an Realschulen und Gymnasien: Dort sprechen sich Lehrer in der jeweiligen Fachgruppe ab. Notenabzüge sind durchaus möglich. „Während zum Beispiel Geschichtslehrer die Rechtschreibung als Kriterium berücksichtigen, nehmen Mathematiklehrer eher davon Abstand.“
Fleischmann sagt, dass sich die Rechtschreib-Kompetenz merklich verschlechtert habe. Sie erhalte Rückmeldungen von Vertretern aus der freien Wirtschaft, die über sprachliche Wissenslücken bei jungen Bewerbern klagen.
Die Frage, wie sich die richtige Schreibung vermitteln lässt, löst immer wieder Debatten aus. In vielen Grundschulen wird Rechtschreibung zuerst ohne Regeln gelehrt: Schreiben nach Gehör. Eine Studie der Universität Bonn besagt wiederum, dass sich Rechtschreibung am besten ganz klassisch mit der Fibel und strengen Regeln erlernen lässt.