Gericht stoppt Pflege-Volksbegehren
Gesundheit Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hält die Bürgerbeteiligung für unzulässig. Die Initiatoren reagieren enttäuscht, wollen aber weiter kämpfen
Bundesweit mangelt es an Pflegekräften. Mit einem Volksbegehren wollte ein Bündnis in Bayern die Politik zum Handeln zwingen, scheiterte nun aber vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Foto: Angelika Warmuth, dpa München Der Zustand des deutschen Gesundheitswesens sorgt seit Jahren für Schlagzeilen. Dauerbrenner ist der Komplex Pflege: Deutschlandweit fehlen mindestens 50000 Pflegekräfte, weshalb Gesundheitsminister Jens Spahn vor wenigen Tagen nicht nur 14 Euro Mindestlohn forderte, sondern auch eine Kooperation mit der Republik Kosovo unterzeichnete, um ausländische Fachkräfte leichter ins Land holen zu können. Zudem gelten seit diesem Jahr in Krankenhausbereichen wie Nachtdienst oder Intensivstation sogenannte „Personaluntergrenzen“im Pflegebereich, die Krankenhäuser und Krankenkassen selbst festlegen konnten.
All das ist auch den Initiatoren des geplanten Volksbegehrens „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“bekannt – doch es ging ihnen nicht weit genug. Sie sammelten mehr als 100000 Unterschriften, erlitten nun aber vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof eine Niederlage. Dieser stoppte das Volksbegehren.
Ursprünglich von sieben Privatpersonen wie der Rechtsanwältin und Ex-SPD-Politikerin Adelheid Rupp, Krankenpfleger Stefan Jagel und Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, gegründet, hatte sich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Vereinen und Parteien wie den Grünen und der SPD um die Initiative gebildet. Sie forderten unter anderem mehr Personal im Krankenhaus, unabhängig von der Station, härtere Hygienevorgaben und einen am tatsächlichen Bedarf der Pfleger und der Betreuten orientierten Personalschlüssel. Das Innenministerium hatte das Ansinnen bereits abgelehnt und an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof verwiesen. Dieser entschied nun: Es wird zu keinem Volksbegehren kommen.
Der Gerichtshof unter dem Vorsitzenden Peter Küspert erläuterte in seiner Urteilsbegründung, „der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf ist mit Bundesrecht unvereinbar, da dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz fehlt.“Der Bund habe „von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erschöpfend Gebrauch gemacht“, sagte Küspert und nannte als Beispiele die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung und das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz aus dem vergangenen Jahr.
Die Verantwortlichen des PflegeBegehrens reagierten enttäuscht auf die Niederlage vor Gericht. „Das ist eine schlechte Nachricht für alle Patientinnen und Patienten und für die Beschäftigten in der Pflege“, sagte der Sprecher des Bündnisses, Ulrich Meyer. Statt um Gesundheit, menschenwürdige Pflege und erträgliche Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern stünden Paragrafen und die Gewinne der Krankenhauskonzerne im Mittelpunkt. Von einem erneuten Anlauf für ein weiteres Volksbegehren sehe man zwar definitiv ab, aber „der Kampf für das Pflegepersonal ist noch nicht vorbei“, sagte Harald Weinberg. Bevor man weitere Schritte einleite, werde man sich nun zunächst die schriftliche Urteilsbegründung ansehen.
Zufrieden über den Ausgang äußerte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Der Verfassungsgerichtshof sei der gleichen Auffassung wie das Innenministerium, dass die Bemessung des Pflegepersonals so nicht mit Bundesrecht vereinbar sei. Herrmanns Parteikollege Florian Herrmann, Staatskanzleichef, erklärte es zum Hauptziel der Regierung, weiterhin das Angebot an Pflegeplätzen zu stärken. Auch Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) bekräftigte, sich intensiv für eine Stärkung der pflegerischen Versorgung in Bayern einsetzen zu wollen.
Die Grünen artikulierten kurz nach der Verkündung, sich weiterhin im Landtag für die Belange von Pflegepersonal und Gepflegten einsetzen zu wollen. Das Urteil müsse man so akzeptieren, konstatierte die SPD. Ruth Waldmann, stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Gesundheit und Pflege, erklärte, die Staatsregierung müsse nun zumindest für eine gute Personalausstattung der Universitätskliniken sorgen. Einen Kommentar zu der Entscheidung des Gerichtes und den Folgen lesen Sie auf der ersten Bayern-Seite. (mit dpa)