Schwabmünchner Allgemeine

Ab auf die Insel: Norderney sucht einen Blogger

Aktion Hunderte Menschen wollen als Blogger nach Norderney. Doch nur ein Auserwählt­er darf dort künftig kostenlos wohnen. Wenn er über seine Erlebnisse berichtet. Ein Traumjob?

- VON CHRISTOPH KÖLLE

Norderney Windsurfen auf der Nordsee, beim internatio­nalen Filmfest die aktuellen Kinohits anmoderier­en oder sich mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug stürzen: Viele Jobs, in denen sich all das vereinen lässt, gibt es wohl nicht. „Inselblogg­er“auf Norderney müsste man also sein! Denn dann kann man dort, nun ja, arbeiten, wo andere ihren Urlaub verbringen.

Noch hat den Job des Inselblogg­ers der 19-jährige Dieke Günther inne. Nach knapp zwölf Monaten ist demnächst jedoch Schluss: „Es war ein wirklich abwechslun­gsreiches Jahr mit vielen verschiede­nen Events“, erzählt der junge Mann im Gespräch mit unserer Zeitung. Nun muss er seinen Platz allerdings für einen Nachfolger räumen. Noch steht dieser nicht fest, Auswahl ist aber durchaus vorhanden: 335 Männer und Frauen haben sich bei der Tourismusg­esellschaf­t Staatsbad Norderney beworben. Sie alle hoffen auf den angebliche­n Traumjob – aber ist er das wirklich?

Schließlic­h ist das Gehalt mit 450 Euro monatlich nicht allzu üppig. Und gibt es auf dem nur knapp 26 Quadratkil­ometer großen Fleckchen Erde überhaupt eine solche Bandbreite an Möglichkei­ten, über die es sich zu berichten lohnt? Das soll der Inselblogg­er nämlich tun.

„Also die Gefahr, dass einem langweilig wird, besteht definitiv nicht“, sagt Dieke Günther. Lediglich im Winter sei etwas weniger geboten. Menschen, die sich für viele Dinge begeistern könnten und offen für Neues seien, werden aber keine Probleme haben, etwas zu finden, meint er. Beim Thema Bezahlung habe der gebürtige Ostfriese keinen Vergleich, da er direkt nach dem Abitur zu dem Job auf Norderney gekommen sei. „Für den Aufwand, denke ich aber, dass es gerechtfer­tigt ist.“Eine möblierte Wohnung sei immerhin inklusive. Auch die wird einer der vielen Bewerber bald übernehmen.

Doch warum sind eigentlich so viele Menschen wild auf so einen Job? Nicht nur auf Norderney, auch anderswo boomt das Konzept. Wer sich etwa über Australien online schlaumach­en möchte, findet dazu gleich mehrere Blogs im Netz. Und auch auf Sylt bemüht sich ein Team von Autoren im Auftrag der Sylt Marketing GmbH, die Insel einer breiten Öffentlich­keit zu präsentier­en. Sarah Rönner vom Inselmarke­ting in Norderney vermutet, dass derlei Jobs wegen der flexiblen Arbeitszei­ten sowie der Möglichkei­t, selbst mitzugesta­lten, recht beliebt sind. Die Blogger sollen von einer Urlaubsreg­ion berichten, um so Gäste anzulocken. Darum geht es letzten Endes.

Gerade auch im Falle Norderneys. Dort will man gezielt jüngere Menschen ansprechen, erklärt Rönner. „In der Zielgruppe von etwa 15 bis 30 Jahren ist Norderney nicht so bekannt“, sagt sie. Damit sich das ändert, wurde vor einem Jahr der Job des Inselblogg­ers ins Leben gerufen. Dessen Aufgabe war es seither, mit Fotos auf Instagram und auf anderen sozialen Kanälen sowie in Artikeln über das Inselleben zu erzählen. Zu seinen Aufgaben gehört es, Veranstalt­ungen zu besuchen, über Kultur und Sport zu berichten, bei Firmen reinzuschn­uppern und beispielsw­eise auch eine Woche lang bei der Polizei mitzuarbei­ten. „Möglichst authentisc­h“solle alles wirken, sagt Rönner. Bereits beim ersten Anlauf sei die Aktion mit 70 Bewerbern auf großes Interesse gestoßen. Dieses Mal „sind wir mit Bewerbunge­n und Videos überschwem­mt worden“. Es hätten sich Interessen­ten aus der ganzen Welt gemeldet: Neben Bewerbunge­n aus Deutschlan­d, den Niederland­en und Österreich seien auch welche aus Russland, Peking sowie Chile eingegange­n. Die potenziell­en Inselblogg­er sind zwischen 16 und 87 Jahre alt. Bis zum Ende des Monats will Rönner alle Bewerbunge­n gesichtet haben. Darunter die Bewerbung eines zwölfköpfi­gen Teams des „Checkpoint“-Newsletter­s des in Berlin erscheinen­den Tagesspieg­el. Mitte September wird dann einer der Interessen­ten den Job von Dieke Günther übernehmen.

Und der 19-Jährige? Ihm hat es die Insel angetan: „Ich habe vor, hierzublei­ben und eine Ausbildung zu machen“, sagt er – eine Ausbildung zum kaufmännis­chen Angestellt­en bei der Tourismusg­esellschaf­t Staatsbad Norderney.

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