Abschleppdienst droht Geldstrafe
Verkehr Eine Seniorin schafft es gerade noch, ihren Wagen abzustellen, dann bricht sie zusammen. Ihr Auto wird abgeschleppt und erst gegen einen satten Betrag herausgegeben. Nun beschäftigt dieser Fall die Justiz
Die Seniorin wollte noch irgendwie nach Hause kommen. Sie saß an diesem Tag im August 2018 in ihrem Auto, als ihr schwarz vor Augen, sie langsam ohnmächtig wurde. Die 72-Jährige konnte noch anhalten und ihren Wagen auf dem Ladehofareal beim Hauptbahnhof abstellen, sie stieg aus und versuchte, zu Fuß weiter zu gehen. Nach ein paar Metern brach sie auf Höhe der nahen Postbank zusammen. Zeugen riefen den Rettungswagen.
Eine ältere Frau in einer gesundheitlichen Notlage: eine möglicherweise schwerwiegende, aber nicht ungewöhnliche Situation. Und in der Regel sicher kein Fall für die Justiz. Dass sich dennoch Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft damit befassten, liegt an dem, was nach dem Zusammenbruch der 72-Jährigen passierte. Die Frau nämlich hatte ihr Auto im absoluten Halteverbot abgestellt, und der Bereich der Ladehofstraße wird seit einiger Zeit von einem privaten Abschleppdienst überwacht. Ein Mitarbeiter des Unternehmens nahm das Auto der Seniorin mit. Und rückte es auch nicht heraus, als der Sohn der Seniorin ihm die Situation erklärte. Nach Erkenntnissen der Ermittler verlangte der Mitarbeiter satte 320 Euro, andernfalls könne man das Auto nicht freigeben. Die Staatsanwaltschaft wertet das Vorgehen des Abschleppdienstes in dem Fall als Erpressung. Sie geht davon aus, dass die Grundstückseigentümerin gegenüber der Frau aufgrund deren Notlage keine Ansprüche hatte – und damit auch nicht das von der Firma eingesetzte Abschleppunternehmen. Heißt: Das Auto hätte ohne Zahlung herausgegeben werden müssen, das Vorgehen war demnach ziemlich rabiat.
Gegen den Mitarbeiter hat das Amtsgericht einen Strafbefehl erlassen, der eine Geldstrafe von 1200 Euro vorsah. Der Mann hat Einspruch eingelegt, was eigentlich bedeutet hätte, dass der Fall damit in einem Gerichtsverfahren behandelt wird. Zum Prozesstermin am Dienstag erschien der Mann allerdings nicht. Ergebnis: Der Einspruch gegen den Strafbefehl wurde verworfen. Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Mann nun die 1200 Euro tatsächlich zahlen muss. Unter Umständen ist eine „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“möglich, wie es juristisch heißt. Der Mitarbeiter des Abschleppdienstes kann aber theoretisch auch noch in Berufung gehen. Das Unternehmen selbst ist unter vielen Autofahrern in Augsburg wegen seiner Methoden nicht gerade beliebt, eher schon berüchtigt, und ist in der Vergangenheit in mehreren Dutzend Zivilklagen vor die Gerichte gezerrt worden. Nicht alle der Verfahren hat die Firma gewonnen, was ungewöhnlich ist. Dass sich die Justiz auf die Seite des Autofahrers schlägt, ist eher selten der Fall. Noch seltener, dass die Methoden der Abschlepper zu einem Strafverfahren führen. Der Chef des Unternehmens wollte keine Stellungnahme abgeben.