Was Hunde im Stadtwald anrichten
Streitfall Gehetzte Rehe, gerissene Schafe und erschreckte Kinder – Experten schätzen die Zahl der schlimmen Vorfälle zwar als gering ein, die Folgen seien aber gravierend. Es gebe Handlungsbedarf
Wie viel Schaden richten Hunde im Stadtwald an? Diese Frage steht im Raum, seit Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) mit seiner Idee einer Leinenpflicht im Naturschutzgebiet Stadtwald scheiterte. Der Umweltausschuss des Stadtrates erteilte ihm eine Abfuhr – auch deshalb, weil er keine Zahlen über das Ausmaß der Vorfälle vorlegen konnte.
Fragt man Wanderschäfer Christian Hartl aus Affing, sagt er: Nicht angeleinte Hunde können zum Problem werden. Hartl ist einer der wenigen Wanderschäfer in der Region, die es noch gibt. Mit seiner Herde zieht er viermal pro Jahr durch Augsburg. Im Auftrag der städtischen Landschaftspflege sorgt der Schäfer dafür, dass die artenreichen Wiesen in den Augsburger Schutzgebieten auf schonende Weise kurz gehalten werden. Hartl sagt: „Ich möchte nicht alle Hundehalter über einen Kamm scheren, aber einige wenige lassen ihre Hunde zu weit springen.“
Die Folge: Manche nicht angeleinten Hunde stören die Schafherde so auf, dass die Tiere wild durcheinander rennen und sich teilweise verletzen. Hartl sagt, solche Fälle habe er zwei- bis dreimal pro Saison. Besonders schlimm seien die Spätfolgen, wenn Hunde Schafe jagen. Es komme immer wieder vor, dass noch ungeborene Lämmer so geschädigt werden, dass die Muttertiere sie nicht mehr zur Welt bringen können und sterben. Der Schäfer ist trotzdem gegen eine Leinenpflicht für Hunde im Stadtwald. Er würde sich stattdessen wünschen, dass in Augsburg der „Hundeführerschein“eingeführt wird. Dann hätten mehr Halter ihre Hunde besser unter Kontrolle.
Auch bei der städtischen Forstverwaltung kennt man Fälle, in denen Hunde im Stadtwald Schaden anrichten. Etwa dann, wenn sie Wildtiere hetzen. Forstamtsleiter Jürgen Kircher sagt, „wir haben jedes Jahr bis zu vier Fälle, bei denen uns durch Hunde gerissenes oder durch Hetze zu Tode gekommenes Wild gemeldet wird“. Die hetzenden Hunde treiben beispielsweise Rehe in einen Zaun. Das Reh bricht sich dabei das Genick. „Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern Wilderei, die wir anzeigen“, sagt Kircher. Diese Hunde sind gut erzogen. Deshalb dürfen sie im Stadtwald von der Leine und bei Hitze ein erfrischendes Bad in den Bächen nehmen. Doch nicht alle Hundehalter haben ihre Tiere im Griff. Das sorgt für Probleme. Foto: Annette Zoepf
Er betont aber auch, es handele sich nur um wenige Vorkommnisse. Im Allgemeinen habe die städtische Forstverwaltung keine Probleme mit Hunden im Stadtwald. Kircher sagt, es sei wichtig, eine Balance zwischen den verschiedenen Funktionen zu finden, die der Stadtwald erfüllen muss: zwischen der Naherholung für die Bürger, dem Naturschutz und dem Schutz des wichtigen Augsburger Trinkwasserreservoirs. Die Forstverwaltung versuche hier, nachhaltig tätig zu sein. Dies gelinge in der Regel gut – auch mit den Hundebesitzern im Wald.
Aus Sicht des Amtsleiters gäbe es schon jetzt die Möglichkeit für Sanktionen. Nach der Naturschutzgebietsverordnung ist es verboten, Hunde im Lechauwald unkontrolliert laufen zu lassen. „Falls uns Förstern ein ,´schwarzes Schaf‘ diesbezüglich auffällt, sprechen wir
die Hundeführer an“, sagt Kircher. In der Regel würden diese mit Verständnis reagieren. Er sagt aber auch: Wenn Hundehalter ihre Tiere nicht im Griff haben, müssen diese an die Leine. Im Umweltausschuss des Stadtrates kam allerdings zur Sprache, dass Hundehalter im Stadtwald bislang nicht kontrolliert werden.
Auch der Naturschutz hat es teilweise schwer mit Hundebesitzern. Nicolas Liebig vom städtischen Landschaftspflegeverband spricht von einem Automatismus: Weil es in Augsburg immer mehr Hunde gebe, steige damit auch die Zahl der Hundehalter, die ihre Tiere nicht im Griff hätten. Gemessen an der Gesamtzahl der über 8500 Hunde sei es nach wie vor eine kleine Gruppe, aber eben eine immer größere. Insbesondere auf den Augsburger Heiden macht sich der wachsende
Druck von Besuchern mit Hunden negativ bemerkbar.
Liebig nennt ein Beispiel: Im Schutz des Wildpferdegeheges auf der Hasenheide hatte sich eine in Augsburg verschollene Vogelart wieder angesiedelt – die Heidelerche. Sobald die im Winter eingezäunte Fläche im Frühjahr wieder für Besucher freigegeben werde, gebe es ein Problem: Die Bodenbrüter würden durch Hunde aufgestört, die stöbern oder Stöckchen nachlaufen, sagt Liebig. Damit könnte es zusammenhängen, dass in diesem Jahr keine Heidelerchen mehr auf der Heide gesichtet wurden. In der Umweltbildung für Kinder komme es ebenfalls immer wieder zu Konflikten mit Hunden. Die Augsburger Umweltstation bietet am Zigeunerbach beim Stempflesee für Jungen und Mädchen Keschern an. Liebig sagt, es gebe Hunde, die ins
Wasser springen und kleine Kinder mit dem spritzenden Wasser so sehr erschrecken, dass diese bleibende Ängste entwickeln.
Der Geschäftsführer der Landschaftspflege ist der Meinung, dass es Handlungsbedarf in Augsburg gibt. „Wir brauchen in der Hundefraktion weniger Emotionalität und mehr Einsicht, um die Probleme in den Griff zu bekommen.“Der Augsburger Stadtwald sei eines der wertvollsten Schutzgebiete in Bayern und habe auch europäischen Schutzstatus.
Liebig regt einen Runden Tisch mit Hundehaltern an. So könne man nach der derzeit heftigen öffentlichen Debatte wieder auf eine Ebene der sachlichen Diskussion kommen. Liebig appelliert: „Wir müssen es schaffen, dass die Leute mit Verantwortungsgefühl in den Stadtwald gehen.“