Moskau geht erneut mit großer Härte gegen Demonstranten vor
Russland Die Proteste gegen Willkür reißen nicht ab. Auch Verbote hindern viele Bürger nicht daran, für freie Wahlen einzutreten
Moskau Russische Polizeikräfte haben bei einer weiteren friedlichen Protestaktion der Opposition für faire und freie Wahlen in Moskau erneut hunderte Menschen festgenommen. Die mit Helmen, Schutzwesten und Schlagstöcken ausgerüsteten Uniformierten packten dutzende Menschen an Händen und Beinen und zwängten sie in Polizeibusse. Als Menschen immer wieder einzeln abgeführt wurden, riefen Aktivisten „Schande, Schande“und „Russland wird frei sein“.
Ziel der Aktion war es auch, den Moskauern vor Augen zu führen, wie ein „Polizeistaat“aussieht. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte löste international Kritik aus. Das Innenministerium sprach von rund 600 Festnahmen und von 1500 Teilnehmern der als Spaziergang deklarierten Aktion. Dem Bürgerrechtsportal OWD-Info zufolge kamen 828 Menschen in Gewahrsam.
Unter den Festgenommenen war auch die bekannte Anti-Korruptionskämpferin Ljubow Sobol. Sie wurde von der Polizei in einem Taxi abgefangen, mit dem sie zur Demonstration fahren wollte. Sobol ist bereits seit Tagen in einem Hungerstreik – und geschwächt. Die Juristin Sobol kämpft für eine Zulassung als Kandidatin zur Wahl des Moskauer Stadtrats am 8. September. Die Wahlleitung hatte ihr, wie den meisten nicht systemtreuen Anwärtern, keine Registrierung erteilt – wegen angeblich schwerer Formfehler. Die massenhafte Repression Andersdenkender in Russland werde den Machthabern im Kreml nicht lange helfen; die Unzufriedenheit der Menschen im Land nehme zu, hatte Sobol kurz vor der Festnahme gesagt. Sie gehört zum Team des inhaftierten Politikers Alexej Nawalny, der seit Ende Juli eine 30-tägige Arreststrafe absitzt.
Die Innenstadt war entlang der prächtigen Boulevards mit Metallgittern abgesperrt. Tausende Uniformierte waren im Einsatz – Lastwagen und Polizeibusse versperrten vielerorts die Wege. Das Zentrum glich einer Festung. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, wer am Samstag spazieren ging oder Demonstrant war. „Das System führt sich immer aggressiver auf“, sagte der prominente Rocker und Musikkritiker Artemi Troizki. Er stand am Twerskoj Boulevard und kritisierte die „verlogenen Diebe“in der Stadtverwaltung, die ehrliche und junge Leute an ihrem Wahlrecht hinderten, um ihre Pfründe zu sichern. Die Polizei ließ den bekannten Publizisten unbehelligt. Moskau rüstet sich bereits für neue Großkundgebungen. Das Bürgermeisteramt bewilligte am Freitagabend zwei Kundgebungen für je 100000 Teilnehmer am 10. und 11. August für faire und freie Wahlen. Die Proteste richten sich auch gegen Behördenwillkür in Russland.
Vom Auswärtigen Amt in Berlin hieß es am Sonntag: „Die Festnahmen standen in keinem Verhältnis zum friedlichen Charakter der Proteste.“Die wiederholten Eingriffe in das verbürgte Recht auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung verstießen gegen Russlands internationale Verpflichtungen und stellten das Recht auf freie, faire Wahlen nachdrücklich infrage. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin befand einer in Berlin veröffentlichten Mitteilung zufolge: „Der Kreml setzt seinen Kurs der Einschüchterung fort.“
Dagegen sagte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin der Agentur Tass zufolge: Viele Teilnehmer hätten keinen Bezug zu Moskau und noch weniger zu den Wahlen des Moskauer Stadtparlaments gehabt. Er schlussfolgerte: Das sei alles nicht zum Wohle der Menschen, sondern zum Zwecke der politischen Täuschung.