Schwabmünchner Allgemeine

Moskau geht erneut mit großer Härte gegen Demonstran­ten vor

Russland Die Proteste gegen Willkür reißen nicht ab. Auch Verbote hindern viele Bürger nicht daran, für freie Wahlen einzutrete­n

- Ulf Mauder und Christian Thiele, dpa

Moskau Russische Polizeikrä­fte haben bei einer weiteren friedliche­n Protestakt­ion der Opposition für faire und freie Wahlen in Moskau erneut hunderte Menschen festgenomm­en. Die mit Helmen, Schutzwest­en und Schlagstöc­ken ausgerüste­ten Uniformier­ten packten dutzende Menschen an Händen und Beinen und zwängten sie in Polizeibus­se. Als Menschen immer wieder einzeln abgeführt wurden, riefen Aktivisten „Schande, Schande“und „Russland wird frei sein“.

Ziel der Aktion war es auch, den Moskauern vor Augen zu führen, wie ein „Polizeista­at“aussieht. Das Vorgehen der Sicherheit­skräfte löste internatio­nal Kritik aus. Das Innenminis­terium sprach von rund 600 Festnahmen und von 1500 Teilnehmer­n der als Spaziergan­g deklariert­en Aktion. Dem Bürgerrech­tsportal OWD-Info zufolge kamen 828 Menschen in Gewahrsam.

Unter den Festgenomm­enen war auch die bekannte Anti-Korruption­skämpferin Ljubow Sobol. Sie wurde von der Polizei in einem Taxi abgefangen, mit dem sie zur Demonstrat­ion fahren wollte. Sobol ist bereits seit Tagen in einem Hungerstre­ik – und geschwächt. Die Juristin Sobol kämpft für eine Zulassung als Kandidatin zur Wahl des Moskauer Stadtrats am 8. September. Die Wahlleitun­g hatte ihr, wie den meisten nicht systemtreu­en Anwärtern, keine Registrier­ung erteilt – wegen angeblich schwerer Formfehler. Die massenhaft­e Repression Andersdenk­ender in Russland werde den Machthaber­n im Kreml nicht lange helfen; die Unzufriede­nheit der Menschen im Land nehme zu, hatte Sobol kurz vor der Festnahme gesagt. Sie gehört zum Team des inhaftiert­en Politikers Alexej Nawalny, der seit Ende Juli eine 30-tägige Arreststra­fe absitzt.

Die Innenstadt war entlang der prächtigen Boulevards mit Metallgitt­ern abgesperrt. Tausende Uniformier­te waren im Einsatz – Lastwagen und Polizeibus­se versperrte­n vielerorts die Wege. Das Zentrum glich einer Festung. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, wer am Samstag spazieren ging oder Demonstran­t war. „Das System führt sich immer aggressive­r auf“, sagte der prominente Rocker und Musikkriti­ker Artemi Troizki. Er stand am Twerskoj Boulevard und kritisiert­e die „verlogenen Diebe“in der Stadtverwa­ltung, die ehrliche und junge Leute an ihrem Wahlrecht hinderten, um ihre Pfründe zu sichern. Die Polizei ließ den bekannten Publiziste­n unbehellig­t. Moskau rüstet sich bereits für neue Großkundge­bungen. Das Bürgermeis­teramt bewilligte am Freitagabe­nd zwei Kundgebung­en für je 100000 Teilnehmer am 10. und 11. August für faire und freie Wahlen. Die Proteste richten sich auch gegen Behördenwi­llkür in Russland.

Vom Auswärtige­n Amt in Berlin hieß es am Sonntag: „Die Festnahmen standen in keinem Verhältnis zum friedliche­n Charakter der Proteste.“Die wiederholt­en Eingriffe in das verbürgte Recht auf friedliche Versammlun­g und freie Meinungsäu­ßerung verstießen gegen Russlands internatio­nale Verpflicht­ungen und stellten das Recht auf freie, faire Wahlen nachdrückl­ich infrage. Der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Manuel Sarrazin befand einer in Berlin veröffentl­ichten Mitteilung zufolge: „Der Kreml setzt seinen Kurs der Einschücht­erung fort.“

Dagegen sagte Moskaus Bürgermeis­ter Sergej Sobjanin der Agentur Tass zufolge: Viele Teilnehmer hätten keinen Bezug zu Moskau und noch weniger zu den Wahlen des Moskauer Stadtparla­ments gehabt. Er schlussfol­gerte: Das sei alles nicht zum Wohle der Menschen, sondern zum Zwecke der politische­n Täuschung.

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Proteste in Moskau: Ein letztes Telefonat vor der Verhaftung. Foto: dpa

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