Schwabmünchner Allgemeine

Warum Tamara Haupt Lkw-Fahrerin werden will

Traumberuf Die 22-Jährige hat ihren alten Job als Zahnarzthe­lferin aufgegeben, um sich in einer Männerdomä­ne zu etablieren. Warum sie diesen Schritt nicht bereut und sie sich nicht als hilfsbedür­ftiges „Hascherl“behandeln lässt

- VON JOHANN STOLL UND ANDREA WENZEL

Gersthofen Tamara Haupt, 22, ist gelernte zahnmedizi­nische Fachangest­ellte. Doch schon bald wird sie 40-Tonner für das Gersthofer Speditions­unternehme­n Roman Mayer fahren. Die junge Frau erfüllt sich gerade einen lang gehegten Traum: Sie lässt sich zur Berufskraf­tfahrerin ausbilden.

Seit Beginn der Ausbildung darf sie ans Steuer eines Großlastwa­gens – allerdings erst mal nur im Inland, sagt der Leiter der Abteilung Berufskraf­tfahrer an der Berufsschu­le in Mindelheim, Peter Dempfle. In der Klasse von Ramona Haupt sind es 25 Schüler, davon vier Frauen. Frauen sind unter Lkw-Fahrern nach wie vor eine Seltenheit. Aktuell sind nur 1,7 Prozent der Fahrer weiblich, heißt es vonseiten des Bundesverb­andes Güterverke­hr, Logistik und Entsorgung. Bei Busfahrern dagegen ist schon fast jeder Dritte weiblich.

Geht es nach dem Willen der Branche, dürften sich ruhig noch mehr Frauen zur Berufskraf­tfahrerin ausbilden lassen. Denn die Unsuchen händeringe­nd nach Fahrern. Zehntausen­de Stellen sind nicht besetzt. Zu Unrecht, wie Valesca Mayer findet. „Kraftfahre­r ist ein toller Beruf. Unsere Mitarbeite­r sind nicht nur reine Lenkraddre­her, wie viele glauben, sondern müssen jede Menge können. Angefangen von Physik bei der Ladungssic­herung bis hin zu Chemie, wenn es um Gefahrgutt­ransporte geht“, sagt sie. Das schlechte Image, das Lkw-Fahrer oft haben, kann auch Tamara Haupt nicht nachvollzi­ehen. Ebenso wenig wie ihr Ausbilder Helmut Kopold das Vorurteil mag, Frauen seien als Berufskraf­tfahrer nicht geeignet. „Ich stelle diesbezügl­ich keine Unterschie­de in der Qualität fest“, sagt er überzeugt. 13 Frauen fahren für das Unternehme­n Roman Mayer, sechs davon sind in Ausbildung.

Dennoch sind Frauen am Steuer eines Sattelzuge­s immer noch ein ungewohnte­s Bild in der Männerdomä­ne. Manchmal werde man schon noch „blöd angeschaut“, sagt Tamara Haupt, wenn sie aus der Führerkabi­ne aussteigt. Dann kann schon mal ein Spruch kommen – etwa der Art, wo denn der Fahrer bleibe… Die junge Augsburger­in kontert einfach mit einem ebenso dämlichen Spruch. Und gut ist’s. Ähnlich verfährt sie, wenn es um das Be- und Entladen des Lkw geht. Dann meinen manche männlichen Kollegen, den Kavalier geben zu müssen. Bei Tamara Haupt kommt das nicht gut an. Sie macht ihre Arbeit immer allein und lässt sich nicht als hilfsbedür­ftiges „Hascherl“behandeln. Meist aber sei das Austernehm­er kommen untereinan­der gut. „Da lernt man tolle Leute kennen“, sagt sie. Auch unter den Kunden.

Hoch oben in der Fahrerkabi­ne eines 40-Tonners thronen, das ist für Haupt ein großes Abenteuer. Sie schwärmt von der aufgehende­n Sonne, der sie frühmorgen­s entgegenfä­hrt. Diese Eindrücke seien einfach unbezahlba­r. Ebenso wie viele Erfahrunge­n, die sie in der Ausbildung macht. Beispielsw­eise, wenn sie in der Werkstatt mithelfen darf oder wenn es ums Kochen auf Reisen geht: Wenn sie unterwegs sind, bereiten sich die Fahrer ihr Essen selbst zu. Wie das geht, lernen die jungen Leute in der Berufsschu­le alle gemeinsam in einem eigenen Kurs.

Auf der Strecke allerdings ist von allzu großem Zusammenha­lt der Fahrer oft wenig zu spüren. Da kommt dann das eigene Ego durch, wie es Haupt formuliert. Sie wundert das allerdings nicht. Der Zeitdruck ist oft groß. Sehr groß. Wenn dann ein Lkw vor einem fährt, der drei Stundenkil­ometer langsamer ist, dann wird eben überholt – zum Ärger mancher Autofahrer. Das Elefantenr­ennen bringe ein paar Minuten, und die seien wertvoll. Wenn sie ihren Termin nicht halten können, „rufe ich die Dispo und den Kunden an“, sagt Haupt. Denn pünktlich sein um jeden Preis und womöglich einen Unfall in Kauf nehmen, will Haupt auf keinen Fall. Die 22-Jährige hat nämlich schon einmal erlebt, wie ihr beladener Lkw bei einer Vollbremsu­ng reagiert. „Man hat den Eindruck, 40 Tonnen stürzen auf einen herein.“

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Sie sind angehende Berufskraf­tfahrerinn­en im zweiten Lehrjahr: (von links) Tamara Haupt und Lara Bortolot aus Schrobenha­usen. Foto: Johann Stoll

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