„Wir entführen in Fantasiewelten“
Interview Die Mittelalter-Folkband Schandmaul macht Rocksongs im historischen Gewand. Am Samstag kommen sie nach Augsburg. Frontmann Thomas Lindner erzählt, warum sich das neue Album mit dem legendären König Artus beschäftigt
Mit „Artus“legen Sie Ihr zehntes Studioalbum in 20 Jahren vor. Wollten Sie die Saga von König Artus so nacherzählen, wie sie ursprünglich geschrieben wurde, aber in einer unserer Zeit entsprechenden verständlichen Sprache?
Thomas Lindner: Nein. Das Thema hat mich persönlich interessiert und ich habe dazu aus Spaß mehrere Bücher gelesen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Dann habe ich die Texte verfasst. Ich habe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ich habe mir bestimmte Personen oder Begebenheiten herausgepflückt. Wer sich davon angefixt fühlt, muss sich ein Buch schnappen und tiefer in die Artus-Welt eintauchen.
Die Artus-Sage spielt im „Dark Age“, einem frühen, finsteren Zeitalter voller Not und Elend. Was fasziniert Sie daran?
Lindner: Es ist eine der größten Sagen Europas. Artus ist bis zu den Römern ein Begriff. Aber das ist nur ein Ausdruck für Großkönig. Kein Mensch weiß, wer das genau war. Für mich ist diese Sage Abbild eines mittelalterlichen Zeitgeistes. Die Religionen haben sich auf der Insel Britannien abgewechselt, die Christianisierung schritt voran, die alten Götterkulte wurden verdrängt. Zeitweise gab es eine reale Bedrohung durch die Angelsachsen. Aber die einheimischen Stämme haben sich auch gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Es hätte eigentlich Einigkeit herrschen müssen, um der Eroberung zu begegnen. Man hat sich aber zumindest zusammengerissen und die Flut der Angelsachsen vorerst aufgehalten. Das ist für mich das Interessante an der Sage.
Sind diese Themen noch aktuell? Lindner: Man kann sie durchaus auf jede Zeit übertragen. Man weiß ja, dass Geschichte sich wiederholt. Nicht, dass wir jetzt nach einem Großkönig schreien, aber wenn man weder vor noch zurück weiß, wünscht man sich zumindest jemanden, der alles wieder gut macht. Deswegen schläft König Artus laut der Sage bis heute auf der Insel Avalon und wartet, bis sein Volk ihn wieder braucht.
Gilt das Ideal vom Ehrenmann, romantischen Liebhaber und unbesiegbaren Kämpfer auch für Sie persönlich? Lindner: Das sind romantisierte Ideale, die sich auf einen Menschen wahrhafter Natur nicht vereinen können. Darauf steht man vor allem in seiner Jugend. Aber wenn es einen guten König gäbe, wäre es unfassbar schön! Dann gäbe es keine Probleme. Aber es gibt leider keinen.
Wie kam es zu dem Song „Die Oboe“? Lindner: In den Nachrichten sieht man nur Mord und Totschlag. Wie schön wäre es da, wenn es ein Instrument gäbe, das derart schön klingt, dass alle vergessen gegeneinander zu kämpfen und allenthalben Frieden herrscht. Ist das nicht eine schöne Vorstellung?
Hören Sie auch privat mittelalterliche Musik?
Lindner: Nein, das muss ich auch nicht. Wir machen Rock- und Folkmusik mit Instrumenten, die auch damals schon so oder ähnlich erklangen. Aber wir übernehmen nichts Authentisches aus dem Mittelalter, das würde uns zu sehr einschränken. Wir haben nun mal eine E-Gitarre, einen knackigen Knorzbass und ein Schlagzeug. Solche Instrumente hatte man im Mittelalter nicht.
Was wollen Sie mit Ihrer Musik erreichen?
Lindner: Wir entführen die Hörer in andere Zeiten und Fantasiewelten. Wir geben ihnen für die Dauer einer CD oder eines Konzertes eine Auszeit vom Alltag. Unsere Geschichten sind wie Märchen.
Früher war der Hofnarr der einzige, der die Wahrheit sagen durfte. Hätten Sie im Mittelalter gelebt, wären Sie dann Ritter oder Hofnarr gewesen? Lindner: Vielleicht Tischler. So wie mein Rücken mir zu schaffen macht, wäre ich kein idealer Kämpfer. Als Hofnarr hätte ich mir wahrscheinlich eine spitze Zunge gegenüber der Obrigkeit erlauben können.
Sind Sie süchtig nach dem BühnenRausch?
Lindner: Nein, das Bühnendasein gehört für mich dazu. Aber darüber gibt es in unserer Kapelle sechs unterschiedliche Meinungen. Rauschhaft ist für mich eher das Schreiben.
Schreiben Sie bei Tageslicht anders als bei Dunkelheit?
Lindner: Nein, außer dass ich früher abends gern mal zu einem oder zwei Bierchen gegriffen habe. Tags darauf musste ich oft feststellen, dass das, was ich am Vorabend noch so genial fand, eigentlich scheiße ist. Der Kopf sollte klar sein, wenn man Songs schreibt.
Interview: Olaf Neumann
OAuftritt am 10. August bei „Sommer am Kiez“in Oberhausen