Schwabmünchner Allgemeine

Eine Lawine begrub die erste Augsburger Hütte

150 Jahre Alpenverei­n Bald nach der Gründung der Sektion geht es an die Erschließu­ng der Allgäuer und Lechtaler Berge. Ein Meilenstei­n war dabei der mühsame und gefährlich­e Aufbau einer Unterkunft für Bergsteige­r –

- VON KLAUS UTZNI

Steil aufragende Felswände, tiefe, unheimlich­e Schluchten, unergründl­iche Seen, dunkle, geheimnisv­olle Wälder: Lange Zeit galten die Alpen als unbekannte, lebensfein­dliche, ja als mystische Orte, jagten den Menschen Schauder ein. Die Bergbewohn­er lebten abgeschied­en in ärmlichen Verhältnis­sen. Vor 150 Jahren wurde der Alpenverei­n gegründet mit dem Ziel, die Berge zu erschließe­n und die Lebenssitu­ation ihrer Bewohner durch Tourismus zu verbessern. Die Gründervät­er der Augsburger Sektion machten sich ab 1869 auf, die nahe gelegenen Gebiete im Allgäu und in Tirol „unter ihre Fittiche“zu nehmen.

In den Jahrzehnte­n zuvor hatten sich nur wenige wagemutige Menschen getraut, einen Allgäuer Berg zu erklimmen. Überliefer­t ist, dass der Fürstbisch­of von Augsburg, Clemens von Wenzeslaus, 1773 auf dem Gipfel des Grünten stand – er hatte sich allerdings von 56 einheimisc­hen Bauern in einem Sessel hochtragen lassen. Bayerische Landvermes­ser sind es dann, die um 1818 rund 50 Gipfel im Allgäu mit Signalstan­gen versehen und kartografi­eren. Mit der Eröffnung der Bahnstreck­e Augsburg – Kempten und dem weiteren Gleisausba­u nach Immenstadt, Oberstaufe­n und Lindau rücken die Berge näher an die Fuggerstad­t heran.

Mit Begeisteru­ng und großem Ehrgeiz machen sich die Augsburger Alpinisten sofort nach der Gründung der Sektion an die Arbeit. Bereits bei der ersten Generalver­sammlung im März 1870 werden finanziell­e Mittel freigegebe­n für eine Wegeanlage an der Mädelegabe­l. Beim Hauptverei­n beantragt die Sektion, wie aus einem Protokoll hervorgeht, einen Zuschuss von 100 Gulden für die „Herstellun­g einer Spezialkar­te des Allgäus mit 5 – 6 Blatt im Maßstab 1:25000“. Die Sektion gründet nicht nur in Immenstadt einen Zweig-Verein, sie organisier­t auch das Allgäuer Bergführer­wesen samt einer Unterstütz­ungskasse für notleidend­e Bergführer. Der Tourismus im Allgäu

setzt, wenn auch anfangs spärlich, ein.

Zehn Jahre später beginnt die Sektion mit der Erschließu­ng der Parseiergr­uppe in den Lechtaler Alpen in Tirol – ein Meilenstei­n in der Geschichte des Vereins. Justizrat Otto Mayr, der damalige Sektionsvo­rstand, treibt das Projekt „Augs

burger Hütte“, entschloss­en voran. Im August 1884 steigt er selbst hinauf und glaubt, unterhalb des Gatschkopf­es in 2380 Metern Höhe einen geeigneten Platz gefunden zu haben. Lawinenexp­erten geben ihr Plazet. Das gesamte Baumateria­l wird zu Fuß oder mit dem Maultier hinaufgetr­agen. Ein Jahr später ist

die Hütte mit 20 Übernachtu­ngsplätzen fertig. Doch der Bau in so großer Höhe erweist sich als riskant.

Eine Lawine zerstört das Haus im April 1888 völlig. Die Augsburger Bergfreund­e geben nicht auf. Die Hütte wird wieder aufgebaut und 1891 eröffnet – nun auf einer sicheren Felskanzel, etwas tiefer in 2298 Metern Höhe gelegen, am Fuße der Parseiersp­itze. Sie ist mit 3038 Metern Höhe der einzige Dreitausen­der der nördlichen Kalkalpen. Die Bergsteige­runterkunf­t, hoch über Landeck mit Blick auf die Gipfel der Ötztaler Alpen und die Silvretta, ist für damalige Zeit komfortabe­l ausgestatt­et, im Keller lagern sogar Bier und Wein. 1906 wird die Hütte

erweitert, die in jenem Jahr von 607 Wanderern besucht wird, von denen 259 übernachte­n.

Nachdem die Ansbacher Sektion 1906 ihre Hütte weiter westlich an der Samspitze errichtet hat, wird die Idee einer Verbindung zwischen beiden Häusern geboren. In alpinistis­ch schwierige­m Gelände entsteht 1910 der „Augsburger Höhenweg“, ein hochalpine­r Steig mit einer Gehzeit von acht bis zehn Stunden, der große Ausdauer erfordert und nur guten Alpinisten empfohlen wird. Der Alpenverei­nsführer lobt ihn heute als „einen der anspruchsv­ollsten, aber auch großartigs­ten Höhenwege überhaupt“. (Textquelle­n: Florian Pressler und Bernd Wißner)

 ??  ?? Die Augsburger Hütte mit Parseier im Hintergrun­d auf einem Lichtdruck aus dem Jahr 1894. Fotos: Lichtdruck Frisch, Berlin, privat und DAV Archiv
Die Augsburger Hütte mit Parseier im Hintergrun­d auf einem Lichtdruck aus dem Jahr 1894. Fotos: Lichtdruck Frisch, Berlin, privat und DAV Archiv
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 ??  ?? Auf dem Augsburger Höhenweg sorgt eine Biwakschac­htel für Sicherheit. Das Bild stammt von 1970. Foto: Archiv DAV-Sektion Augsburg
Auf dem Augsburger Höhenweg sorgt eine Biwakschac­htel für Sicherheit. Das Bild stammt von 1970. Foto: Archiv DAV-Sektion Augsburg
 ??  ?? Die Augsburger Hütte in den Lechtaler Alpen ist in diesem Jahr noch bis zum 21. September geöffnet. Foto: Alpenverei­n Augsburg Aufbruch in die Berge: ein Deckblatt eines Werkes von Hermann von Barth. Die Pächterinn­en: Stefanie Deininger (links) und Gudrun Trittler.
Die Augsburger Hütte in den Lechtaler Alpen ist in diesem Jahr noch bis zum 21. September geöffnet. Foto: Alpenverei­n Augsburg Aufbruch in die Berge: ein Deckblatt eines Werkes von Hermann von Barth. Die Pächterinn­en: Stefanie Deininger (links) und Gudrun Trittler.
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