Zwei Häftlinge und ein spektakulärer Ausbruch
Kriminalität Ein aus der JVA Memmingen geflohener Gefangener sitzt wieder hinter Schloss und Riegel, ein zweiter ist noch nicht gefasst. Und dann ist da die Frage: Wie konnten die Männer eine sieben Meter hohe Mauer überwinden?
Memmingen/Lauben Die gute Nachricht des Tages ist: Einer der beiden aus dem Memminger Gefängnis geflohenen Untersuchungshäftlinge ist gefasst. Die Polizei nahm nahe der Gemeinde Lauben (Kreis Unterallgäu) einen 37 Jahre alten Georgier fest. Er war unbewaffnet und habe keinerlei Gegenwehr geleistet, sagt Sprecherin Johanna Graf im Gespräch mit unserer Redaktion. Offensichtlich sei er allein unterwegs gewesen. Vom Komplizen fehlte bis Redaktionsschluss jede Spur.
Unterdessen wurden Einzelheiten zu der spektakulären Flucht bekannt. Anja Ellinger, Leiterin des Memminger und des Kemptener Gefängnisses, sagt: „Ich konnte es kaum glauben.“Auf dem Video einer Überwachungskamera ist zu sehen, mit welcher „unglaublichen sportlichen Höchstleistung“(Ellinger) die beiden Untersuchungshäftlinge am Sonntag die sieben Meter hohe, mit Stacheldraht gesicherte Gefängnismauer überwanden und ins Freie gelangten.
Ihnen werden Raub- und Eigentumsdelikte in der Region vorgeworfen. Vieles spricht dafür, dass sie sich erst im Gefängnis kennengelernt haben. Ellinger will keine Einzelheiten darüber bekannt geben, wie genau den beiden die Flucht gelang. „Wir wollen keine Nachah
mer“, sagt sie. Die Chefin der Justizvollzugsanstalt stellt sich ausdrücklich hinter ihre Mitarbeiter: „Keiner hat einen Fehler gemacht“, betont sie. Und dass die Art und Weise der Flucht vorher für unmöglich gehalten worden sei.
Rückblick: Es ist Sonntagnachmittag gegen 14 Uhr, als die Mem
minger Häftlinge Freigang haben. Eine Stunde im Freien steht jedem Inhaftierten pro Tag zu. So will es das Gesetz, und das gilt für verurteilte Straftäter genauso wie für Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Gerichtsprozess warten. An diesem Nachmittag drehen auch die Untersuchungshäftlinge Göhan Günbeyi,
36, und der ein Jahr ältere Georgier im Hof ihre Runden. Güneyi ist türkischer Staatsbürger.
Gegen 14.15 Uhr gelingt den beiden der für unmöglich gehaltene Coup. In Windeseile überwinden sie die sieben Meter hohe und mit Stacheldraht gesicherte Mauer. Einer der beiden Männer verletzt sich am Stacheldraht, ansonsten klappt die Flucht reibungslos. Mitarbeiter der JVA nehmen umgehend die Verfolgung auf, einer der Männer wird beinahe gefasst. Doch eben nur beinahe. Nochmals gesehen werden sie von einem Passanten gegen 15 Uhr in der Memminger Innenstadt.
Günbeyi hat sich zu diesem Zeitpunkt der Häftlingsbekleidung bereits entledigt. Der 1,77 Meter große, kräftig gebaute Untersuchungshäftling trägt jetzt ein schwarzes T-Shirt, eine weiße kurze Sporthose und schwarze Sportschuhe der Marke Puma. Der Georgier, ebenfalls kräftig gebaut, hat noch die Anstaltskleidung an: graublaues T-Shirt, blaue lange Hose und schwarze Schuhe. Die umgehend eingeleitete Fahndungsaktion der Polizei im Großraum Memmingen und besonders im Bahnhofsbereich in unmittelbarer Nähe der JVA bleibt zunächst erfolglos. Bis zum frühen Montagnachmittag.
Ein Hinweis aus der Bevölkerung führt gegen 14.45 Uhr, gut 24 Stunden nach dem Ausbruch, zur Festnahme des Untersuchungshäftlings mit georgischem Pass unweit von Frickenhausen. Der Ortsteil der Gemeinde Lauben im Unterallgäu liegt etwa 20 Kilometer von Memmingen entfernt. „Der andere Mann ist noch flüchtig“, sagt Polizeisprecherin Graf. Polizei und Justiz bitten weiter um Hinweise, wo sich der gesuchte Gökhan Günbeyi aufhält. Wer ihn sieht, sollte nicht direkt auf ihn zugehen und keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Vielmehr soll die Polizei sofort über die Notrufnummer 110 informiert werden.