Schwabmünchner Allgemeine

„Jeder Preisschri­tt kostet uns viel Geld“

Auktion Die beiden Daucher-Putten, die früher die Fuggerkape­lle zierten, sind in Augsburg angekommen. Martin Hoernes von der Ernst-von-Siemens-Kunststift­ung erzählt, wie der spektakulä­re Ankauf zustande kam

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Herr Hoernes, Sie waren mit der Ernst-von-Siemens-Kunststift­ung maßgeblich daran beteiligt, die beiden Daucher-Putten, die bei Sotheby’s in Paris versteiger­t wurden, nach Augsburg zu bringen. Was passiert im Hintergrun­d im Vorfeld einer solchen Auktion?

Martin Hoernes: Das ist ein Gemeinscha­ftswerk. Es gibt vier Förderer, die Stadt Augsburg, die Beauftragt­e der Bundeskanz­lerin für Kultur und Medien, die Kulturstif­tung der Länder und die Ernst-von-SiemensKun­ststiftung. Die Stadt beziehungs­weise die Kunstsamml­ungen haben uns drei mit ins Boot geholt. Zu Beginn hatte das Museum die Aufgabe, möglichst genau den Wert und die Bedeutung der beiden Putten zu beschreibe­n. Das war nicht so schwierig, weil wir Förderer auch gesehen haben, dass die Putten etwas Besonderes sind und es sich lohnt, dafür zu kämpfen.

Wie schätzen Sie die beiden Putten ein?

Hoernes: Es sind zwei Skulpturen, die – das kann man wirklich sagen – „national wertvoll“sind. Kunstwerke, die bedeutend sind für die Kunst und Kultur ihrer Zeit – immerhin stammen sie aus dem Gründungsb­au der Renaissanc­e nördlich der Alpen. Und sie sind noch dazu deutlich besser erhalten als die in Augsburg verblieben­en Putten. Da war klar, dass wir tätig werden mussten.

Das ist das Wichtigste für Sie, um überhaupt etwas zu machen? Hoernes: Absolut. Die Museen sind voll von wertvollen Exponaten. Wir engagieren uns bei einem Ankauf nur, wenn es eine substanzie­lle Erweiterun­g ist, wenn es sich um Kunstwerke mit einer hohen Qualität handelt, die Provenienz klar und der Preis darstellba­r ist.

Was heißt darstellba­rer Preis? Hoernes: Wir zahlen keine Liebhaber-Preise für Kunst. Es ist eine ganze Menge Geld, die wir für die beiden Putten ausgegeben haben, aber ich war positiv überrascht, dass es am Ende doch ein guter Preis geworden ist.

Aber an diesem guten Preis waren doch auch Sie maßgeblich mitbeteili­gt? Hoernes: Es gibt bei solchen Kunstwerke­n einen begrenzten Interessen­tenkreis. Man unterhält sich natürlich mit anderen Museen und Wissenscha­ftlern, man unterhält sich mit dem Handel, der ja auch immer Partner ist und einen anspricht, wenn bedeutende Kunst auf den Markt kommt. Es ist wichtig, dass man sehr diskret mit den richtigen Leuten redet und überzeugt: Bitte bietet nicht gegen uns! Es kommt zuweilen vor, dass sich zwei Museen für das gleiche Werk um eine Förderung bewerben.

Ein Beispiel bitte.

Hoernes: Zum Beispiel das bedeutende Helene-Weigel-Porträt von Rudolf Schlichter, das vorletztes Jahr auf den Markt kam. Da hatten sich das Lenbachhau­s in München und ein anderes Museum um eine Förderung beworben. Wir haben berücksich­tigt, dass in München schon ein zugehörige­s Porträt von Bertolt Brecht von der Hand Schlichter­s hängt und seine Lebensgefä­hrtin Weigel ebenfalls dort hingehörte. Und wir haben entschiede­n, wenn wir jemanden bei dem Ankauf fördern, dann das Lenbachhau­s.

Und das andere Museum hat dann zurückgest­eckt?

Hoernes: Ja, es hat sich zurückgeha­lten. So können wir als Stiftung auch ein bisschen Kulturpoli­tik über unsere Förderunge­n machen. Es ist ja die große Tragik in Deutschlan­d, dass die Häuser nahezu keinen selbststän­digen Ankaufseta­t haben. Zum Beispiel auch Augsburg. Die Stadt hat sich wunderbar engagiert, da kann man nichts sagen. Aber die Kunstsamml­ungen haben keinen angemessen­en Ankaufseta­t, mit dem sie die Sammlung substanzie­ll er

weitern könnten. Also greifen die Kunstsamml­ungen bei kurzfristi­g möglichen Ankäufen zu Notmaßnahm­en, die in diesem Fall geklappt haben. Und wir können als Stiftung sagen, dass, wenn wir so und so viel beitragen, die Träger natürlich auch etwas einbringen müssen.

Wie läuft das technisch ab?

Hoernes: Das ist ein Miteinande­r der vier Förderer. Die Kulturstif­tung der Länder hat die Gutachter beauftragt und am Ende finanziere­n wir von der Ernst-von-Siemens-Kunststift­ung den Ankauf teilweise vor. Über dieses Instrument der zinslosen Vorfinanzi­erung hoher Summen verfügen nur wir, das hat uns Ernst von Siemens mitgegeben. Und es ist sehr wichtig. Wir finanziere­n teilweise auch andere Stiftungen vor, die nicht so kurzfristi­g zahlen können. Bei einer Auktion muss man das Geld nach wenigen Monaten hinlegen, sonst kommt das Geschäft nicht zustande. Man merkt, dass Ernst von Siemens ein Unternehme­r war und dieses unternehme­rische Gen in unserer Satzung hinterlass­en hat und uns zu einem sehr bewegliche­n und sehr schnell agierenden Partner von Museen gemacht hat, den sie in ihren Trägern manchmal nicht haben, weil öffentlich­es Geld komplizier­ter verwaltet ist als bei einer privaten Stiftung.

Bei den Putten waren Sie schnell genug. Und dann hatten Sie eine Galerie aus Bremen als Partner gewonnen, die in der Auktion bei Sotheby’s in Paris gesteigert hat.

Hoernes: Das waren die Profis. Wir Förderer haben alle schon viele Auktionen gesehen. Aber es ist immer von Vorteil, wenn man den Handel auch einbindet. Gegen die Galerie bieten dann schon einmal weniger Kollegen. Jeder Preisschri­tt, der im Auktionssa­al getan wird, kostet uns viel Geld.

Waren Sie sich vor der Auktion sicher, dass das jetzt klappt?

Hoernes (lacht): Nein. Wir hatten ein großes Polster, wir haben sehr gut zusammenge­arbeitet, alle Partner wollten, dass es klappt. Die Gutachter haben gesagt, dass die Putten über drei Millionen bringen könnten. Da lagen wir mit 2,35 Millionen Euro gut.

Womit hätten Sie im schlimmste­n Fall gerechnet?

Hoernes: Das sage ich nicht.

Wenn es knapp zweistelli­g im Millionenb­ereich geworden wäre?

Hoernes: Dann wären wir lange vorher ausgestieg­en.

Hätte Sie dieser Preis gewundert? Hoernes: Wenn sich zwei Museen oder ein Sammler mit Jagdfieber gegenseiti­g hochgestei­gert hätten, hätten wir gut bei doppelt so viel landen können. Wenn ein Händler, ein Museum oder ein Privatsamm­ler gegen uns gestanden hätte, dann steigt ein Auktionspr­eis furchtbar an. Das kann einen aus der Kurve tragen.

Wenn auf der anderen Seite ein kunstliebh­abender Milliardär gestanden wäre, der nicht aufs Geld schaut … Hoernes: Dann steigen wir aus. Ein verantwort­ungsvoller Förderer darf keine Liebhaber-, sondern nur angemessen­e Preise zahlen.

Wie haben Sie die Auktion verfolgt? Hoernes: Ich sitze live vor einem Bildschirm und schaue zu. Und das Herz wird erst langsamer, wenn der Hammer fällt.

Das geht rasend schnell. Keine zehn Minuten?

Hoernes: Weniger, viel weniger. Aber es ist diesmal wirklich gut gegangen. Ich bin absolut erfreut darüber. Interview: Richard Mayr

 ??  ?? Nach zwei Jahrhunder­ten wieder in Augsburg angekommen: die beiden Engelsfigu­ren des Renaissanc­e-Bildhauers Hans Daucher bei der Präsentati­on im Maximilian­museum. Foto: Ulrich Wagner
Nach zwei Jahrhunder­ten wieder in Augsburg angekommen: die beiden Engelsfigu­ren des Renaissanc­e-Bildhauers Hans Daucher bei der Präsentati­on im Maximilian­museum. Foto: Ulrich Wagner
 ??  ?? Martin Hoernes, Kunsthisto­riker, ist seit Oktober 2014 Generalsek­retär der Ernst von Siemens Kunststift­ung.
Martin Hoernes, Kunsthisto­riker, ist seit Oktober 2014 Generalsek­retär der Ernst von Siemens Kunststift­ung.

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