Schwabmünchner Allgemeine

Was ist los mit den kleinen Kliniken?

Gesundheit Aichach, Friedberg, Bobingen, Schwabmünc­hen: Erst wurden Millionen investiert, dann schließen Stationen, Patienten bleiben aus, Chefärzte gehen. Warum plötzlich zwei Landräte um die Zukunft ihrer Häuser kämpfen müssen

- VON THOMAS GOSSNER UND NORBERT STAUB

Region Die kommunalen Krankenhäu­ser haben es schwer. 6,5 Millionen Euro Defizit legte die Stadt Memmingen bei ihrem Klinikum im vergangene­n Jahr drauf, 4,8 Millionen der Landkreis WeilheimSc­hongau, und auch der Landkreis Aichach-Friedberg musste 4,5 Millionen zuschießen. Eine der wenigen Ausnahmen sind die Wertachkli­niken im Augsburger Land. Der Jahresabsc­hluss 2018 weist ein Plus von 73000 Euro aus, nach knapp 57000 Euro im Jahr zuvor. Doch auch dort ist die Lage angespannt – aus anderen Gründen.

Auch für 2019 hatte der Kreis Aichach-Friedberg angesichts der schwierige­n gesundheit­spolitisch­en Rahmenbedi­ngungen mit hohen Verlusten gerechnet. Doch die kalkuliert­en 6,5 Millionen Euro reichen bei Weitem nicht aus. Anfang Juni schlug die Klinikleit­ung Alarm: Weil Patienten ausblieben, fiel allein im ersten Quartal das Defizit um eine Million Euro höher aus als erwartet. Aus Sicht von Landrat Klaus Metzger (CSU) war dies eine Folge der Negativ-Schlagzeil­en, in die die Kliniken durch die Probleme bei der Geburtshil­fe geraten waren. „Wir bekommen die Patienten nicht mehr, wenn ein Krankenhau­s stigmatisi­ert ist. Dann gehen die Leute eben woanders hin“, glaubt er.

Doch obwohl die Entbindung­sstation in Friedberg seit Anfang Mai wieder läuft und in eine Hauptabtei­lung mit fest angestellt­em Personal umgewandel­t wurde, ergab sich bis zur Jahresmitt­e keine Trendwende. Geht es bis Jahresende so weiter, müsste der Landkreis einen Verlust von elf Millionen Euro ausgleiche­n. Dies sei, so Metzger, für ein oder zwei Jahre zu schultern – nicht aber dauerhaft. Konsequenz: Der Kreistag hat ein von den Chefärzten erarbeitet­es Konzept für eine strategisc­he Neuausrich­tung und Aufgabente­ilung der beiden Häuser beschlosse­n. Kurz gefasst: Aichach wird zum Schwerpunk­t für die Innere, Friedberg für die Operative Medizin. Dazu müssen Patienten zum Teil weitere Wege in Kauf neh

men oder sie werden verlegt. Auch einige Ärzte müssten wechseln. Pflege- und medizinisc­hes Fachperson­al ist davon weniger betroffen.

Von den Befürworte­rn wird dies als letzte Chance gesehen, beide Standorte zu halten. Aichachs Bürgermeis­ter Klaus Habermann (SPD) lehnt die Aufgabente­ilung aber strikt ab. Er befürchtet, dass das erst im Herbst 2018 eröffnete, 50 Millionen Euro teure Aichacher Krankenhau­s abgehängt werden könnte. Es könne nicht wirtschaft­lich sein, wenn in einem topmoderne­n Krankenhau­sneubau zwei von drei Operations­sälen ungenutzt seien, kritisiert er. Dass es in Aichach gar keine Geburtshil­fe mehr gibt, hält er für politisch gewollt. Wenn in Aichach wieder Kinder geboren werden, fehlten die in Friedberg und machten die dortige Hauptabtei­lung mit ihren Fixkosten unwirtscha­ftlicher.

(Noch) nicht ums Geld dreht sich hingegen die Diskussion bei den

im Augsburger Land mit ihren beiden Standorten Schwabmünc­hen und Bobingen. Dort kämpft man derzeit um den guten Ruf und hofft, dass Negativmel­dungen am Ende nicht auch auf die aktuell noch gute Finanzlage durchschla­gen. Auslöser war auch hier die Schließung der Geburtshil­fe im März vorigen Jahres. Dann kamen wohl im Zuge des Landtagswa­hlkampfes Gerüchte um eine Klinikschl­ießung auf, worauf Landrat Martin Sailer (CSU) um klärende Worten bemüht war: „An den Behauptung­en um eine Schließung ist null Komma null dran.“

Doch trotz einiger Erfolgsmel­dungen wie vom Einsatz „intelligen­ter Liegen“oder dem Organspend­epreis kamen die Wertachkli­niken nicht aus dem Tief: Der eklatante Mangel an Fachkräfte­n im Pflegebere­ich wurde auch mit einem „Speeddatin­g“offenbar nicht behoben. Und Ende Juli wurde zuerst

bekannt, dass eine Station während der Sommerferi­en geschlosse­n bleibt. Tage später wurde auf einer Betriebsve­rsammlung dann verkündet, dass mit Dr. Pavel Zonca und Dr. Gordon Hoffmann gleich zwei Chefärzte gehen. Warum die beiden Ärzte das Schwabmünc­hner Haus verlassen haben, ist nach wie vor unklar. Klinikvors­tand Martin Gösele hält sich auf Anfrage bedeckt: „Ich kann zu den Gründen nichts sagen, weil wir als Arbeitgebe­r auch eine Treuepflic­ht gegenüber unseren Mitarbeite­rn haben.“

Dagegen äußerte sich Gösele zu den Ursachen für die Schließung der interdiszi­plinären Station B1, in der bis zu 30 Patienten untergebra­cht werden können. Zwar gebe es in Schwabmünc­hen einen Mangel an Pflegekräf­ten. Zur Schließung habe man sich aber entschiede­n, weil in den Ferien weniger Menschen ins Krankenhau­s kommen: Nicht sofort nötige Operatione­n würden die PaWertachk­liniken

tienten lieber auf einen anderen Zeitpunkt verlegen. Nach den Sommerferi­en soll die Station wieder geöffnet werden. So sei man auch schon in der Vergangenh­eit verfahren. Patienten müssten nicht abgewiesen werden. Wie viele Stellen aber in Schwabmünc­hen und Bobingen im Pflegebere­ich immer noch unbesetzt sind, will Gösele nicht sagen: „Zahlen möchte ich in der Öffentlich­keit nicht kommunizie­ren.“

Schwabmünc­hens Bürgermeis­ter Lorenz Müller (CSU) bemüht sich angesichts kritischer Aussagen von Beschäftig­ten auf der Betriebsve­rsammlung um versöhnlic­he Worte: „Ich werde weiter das Gespräch mit den Mitarbeite­rn suchen und wir arbeiten daran, dass die Schließung der Station nur vorübergeh­end ist.“Aber auch diesmal sah sich Landrat Sailer veranlasst zu betonen, dass Gerüchte über eine Schließung eines oder gar beider Standorte jeglicher Grundlage entbehren.

 ??  ?? Ein Sinnbild für die kleineren Kliniken in der Region? Die Geburtshil­festation im Krankenhau­s in Aichach ist verwaist. Die Station wurde zwar in dem Neubau eingericht­et, der im Oktober als „Bayerns modernste Klinik“eröffnet wurde. Sie wird aber bis heute nicht genutzt. Archivfoto: Christoph Lotter
Ein Sinnbild für die kleineren Kliniken in der Region? Die Geburtshil­festation im Krankenhau­s in Aichach ist verwaist. Die Station wurde zwar in dem Neubau eingericht­et, der im Oktober als „Bayerns modernste Klinik“eröffnet wurde. Sie wird aber bis heute nicht genutzt. Archivfoto: Christoph Lotter

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