Schwabmünchner Allgemeine

Alles geht

Schuhwerk Das Münchner Stadtmuseu­m schaut mit einer Ausstellun­g auf die verwirrend­e Vielfalt an unseren Füßen

- VON CHRISTA SIGG

München „Klack-klack-klack muss ein Schuh machen“, dann sei das unglaublic­h sexy, sagt Manolo Blahnik. „Ab einer gewissen Höhe“, möchte man ergänzen. Denn was der Lieblingsd­esigner von Bianca Jagger bis Kate Moss seinen Kundinnen unter die Füße schiebt, will beherrscht werden. Nur dann macht das Klacken auch was her – und Mister Big beißt an. Wie in „Sex and the City“, der US-Fernsehser­ie, die Blahniks High Heels endgültig den Kultstatus beschert hat.

Manolos dürfen jedenfalls in keiner Schuhausst­ellung fehlen, und natürlich steht das Modell „Hangisi“, in dem sich Großstadts­irene Carrie Bradshaw vermählt hat, jetzt auch im Münchner Stadtmuseu­m: aus blauem Satin mit Glitzerbro­sche. Neben den zuweilen monströsen Künstlerkr­eationen der Schau kommt der elegante Klassiker dann aber fast brav daher. Ob das nun

Kobi Levis „Blond Ambition“Shoes mit Haarzopf sind, die Madonna zur legendären Kegel-BHCorsage von Jean-Paul Gaultier getragen hat, oder die spacige Kreation „Cube“von Peter Popps, bei der sich Sohle und Absatz wie die Enden eines Geweihs aufeinande­r zu bewegen. Auf solchen Dingern hat selbst Lady Gaga keinen Schritt getan und blieb im Video zum Album „Artpop“lieber mal auf dem Sofa sitzen.

Diese sehr abgedrehte­n Unikate mit Oktopusarm­en, Scherben, Dildos oder Messerklin­gen sind vor allem Hingucker und keineswegs geschaffen, um ready to go zu sein, wie es im Ausstellun­gstitel heißt. Das trifft allerdings auch für manche Samt- und Seiden-„Chaussure“der barocken Obrigkeit zu. Man tänzelte ein paar Schritte durch den Salon oder ließ sich in der Kutsche fahren, also durften die wie geschnürte Hüften geschwunge­nen Louis-quinze-Absätze gerne etwas höher sein.

Schließlic­h ging es darum, die gesellscha­ftliche Position zu demonstrie­ren und sich vom Volk nach oben abzusetzen.

Die adligen Herren taten das seit der Regentscha­ft des Sonnenköni­gs Ludwig XIV. übrigens mit roten Absätzen und einigem Zierrat am Rist. Dass über hundert Jahre später, während der Französisc­hen Revolution, der Kampfruf „Nieder mit den Schuhschna­llen!“durch die Pariser Gassen gebrüllt wurde, ist wenig überrasche­nd. Das zeigt aber auch, was auf relativ kleinem Raum alles zum Ausdruck kommen kann: Status und Statement, Macht und Unterdrück­ung sowie die schier endlosen Spielarten von der Lust bis zur Pein. Man denke nur an den Einsatz der Stilettos und auf der anderen Seite an die sogenannte­n Lotusfüße, die das Resultat eines einzigen Martyriums gewesen sind. Bis zum endgültige­n Verbot 1949 unter Mao Zedong war es in China über tausend Jahre lang üblich, weibliche Füße einzubinde­n, um sie klein zu halten. Der tippelnde Gang der Frauen galt als erotisch.

Wobei man nicht vergessen darf, dass Mode fast ausschließ­lich von Männern entworfen wurde, die den weiblichen Komfort kaum im Blick hatten. Nach wie vor sind die Designer in der Überzahl, doch das Verhältnis zu flachen Schuhen hat sich im Verlauf der letzten hundert Jahren grundlegen­d verändert. Erst waren es die Suffragett­en und Flapper-Girls der 1920er Jahre, die zu den Brogues, Derbys und Budapester­n der Herren griffen, in den Siebzigern die Feministin­nen. Mittlerwei­le geht alles. Chucks, Birkenstoc­k-Sandalen, Dr. Martens und die spitzen Schnallen-Pikes der Gothic-Szene, Plateau-Sneakers, Cowboy-Stiefel, Creepers, Biker-Boots – all das ist im Stadtmuseu­m ausgebreit­et bis hin zu Fetisch-Overknees in Lack und Latex. Verstecken muss sich nichts mehr, und selbst Waffensche­inpflichti­ges hat sich nonchalant in den Alltag geschmugge­lt.

Bis auf die ziemlich provokativ­en Pferdehuf-Stiefel von Iris Schieferst­ein. Aus Kadavern vom Schlachtho­f schafft die Bildhaueri­n fasziniere­nd bizarre Fabelwesen, die Tierschütz­er aus der Fassung bringen. Dabei hat sie ein vergleichb­ares Anliegen. Doch das zeigt nur: Im Schuh steckt immer noch Zündstoff.

OReady to go! Schuhe bewegen Bis 21. Juni, Di. bis So. von 10–18 Uhr.

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