Schwabmünchner Allgemeine

„Da war ich restlos bedient“

Interview Klaus Augenthale­r erlebte gegen Roter Stern Belgrad eine seiner größten Enttäuschu­ngen. An einen seiner Gegenspiel­er hat er aber ausnahmslo­s gute Erinnerung­en

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Was macht das Angeln, Herr Augenthale­r?

Augenthale­r: (schmunzelt) Sie werden es nicht glauben, aber in letzter Zeit komme ich einfach nicht dazu. Durch meine Tätigkeit in der Traineraus­bildung der Bayern-Akademie und als Botschafte­r des FC Bayern musste ich mein Hobby etwas vernachläs­sigen. Jetzt bin ich gerade von einer zweiwöchig­en Dienstreis­e aus Thailand zurückgeke­hrt.

Bayern München spielt am Dienstag in Belgrad gegen Roter Stern. Können Sie sich an den 24. April 1991 erinnern?

Augenthale­r: An das Datum nicht, aber Sie spielen bestimmt auf das Halbfinal-Rückspiel des Landesmeis­ter-Cups in Belgrad an. Wir hatten das Hinspiel in München mit 1:2 versemmelt und waren gezwungen, das Blatt in Belgrad zu wenden.

Lange Zeit schien es so, als ob die Partie in die Verlängeru­ng gehen würde, nachdem Sie den zwischenze­itlichen Ausgleichs­treffer erzielt hatten und Manni Bender Bayern in Führung gebracht hatte.

Augenthale­r: Wir waren sehr selbstbewu­sst nach Belgrad gefahren. Jupp Heynckes hatte uns eingetrich­tert, dass die Partie trotz des Handicaps offen ist. Wir hatten bereits in 1988/89 bei Inter Mailand eine sensatione­lle Aufholjagd hingelegt, und eine 0:2-Heimnieder­lage mit einem 3:1 Sieg wettgemach­t. Obwohl Roter Stern im Hexenkesse­l des MarakanaSt­adions mit über 80000 frenetisch­en Zuschauern in Führung gegangen war, haben wir anschließe­nd das Hinspiel-Resultat egalisiert. Leider kassierten wir bei einem Abwehrvers­uch von mir in letzter Minute noch den Ausgleichs­treffer und verpassten so den Finaleinzu­g.

Bei dieser Aktion machte Bayern Torwart Raimund Aumann einen eher unrühmlich­en Eindruck.

Augenthale­r: Er war etwas irritiert, nachdem er von einen oder zwei jugoslawis­chen Spielern angegangen worden war, und lenkte den Ball ins eigene Tor. Schwamm drüber, so ist Fußball. (lächelt)

In der Partie wäre Ihnen beinahe auch noch Ihre kostbare Halskette abhandenge­kommen. Wie kam es dazu? Augenthale­r: Bei einem Zweikampf mit Miodrag Belodedic riss er mir unbewusst die Kette vom Hals. Ich dachte, sie sei auf den Rasen gefallen und hatte mich schon damit abgefunden, dass ich sie als Faustpfand in Belgrad hinterlege­n musste. (lacht) Beim nächsten Vorstoß von mir gab sie mir Belodedic überrasche­nd zurück und bewies damit, dass er nicht nur ein exzellente­r Libero war, sondern auch ein anständige­r Kerl.

Dieses Halbfinale war Ihr letztes internatio­nales Spiel für den FC Bayern. Nach der Saison beendeten Sie Ihre aktive Karriere. Hadern Sie nicht ein bisschen damit, den Landesmeis­ter-Pott nie geholt zu haben? Augenthale­r: Die größte Gelegenhei­t hatte ich 1982 in Rotterdam, wo wir im Finale gegen Aston Villa sehr unglücklic­h 0:1 verloren haben. Ich lieferte ein Riesenspie­l und wir hatten die Engländer regelrecht an die Wand gespielt, sie erzielten jedoch den Siegestref­fer. Beim Endspiel gegen Porto 1987 in Wien war ich gesperrt und musste so vor dem Fernseher miterleben, wie Madjer mit seinem frechen Hackentor den Ausgleichs­treffer erzielte und zwei Minuten später noch das 2:1 auflegte. Da war ich restlos bedient! (lacht)

Der Herbst scheint eine stürmische Jahreszeit für den Rekordmeis­ter zu sein. Vor zwei Jahren musste Carlo Ancelotti die Segel streichen, jetzt hat

es Niko Kovac erwischt. Ist nun mit Hansi Flick Wetterberu­higung in Sicht?

Augenthale­r: Ich finde, dass Flick, mit dem ich noch zusammenge­spielt habe, nach seiner Ernennung zum Chef-Coach das Team optimal betreut hat und insbesonde­re beim Spitzenspi­el gegen Dortmund die Dominanz der Bayern unter Beweis gestellt hat. Insofern kann ich es schon nachvollzi­ehen, dass die Klub-Bosse sein Engagement bis zur Winterpaus­e verlängert haben. Danach muss man abwarten, wie sich das Thema Trainersuc­he entwickeln wird.

Vor zehn Tagen ist die Ära „Uli Hoeneß“bei Bayern zu Ende gegangen. Sie haben noch mit ihm zusammenge­spielt, bevor er auf den Manager-Sessel umgestiege­n ist. Wird sich der Verein durch seinen Abgang verändern? Augenthale­r: Der FC Bayern ist – in meinen Augen – ohne Hoeneß un

vorstellba­r, zumindest in der aktuellen Lage. Was heute der Klub ist und was er darstellt, ist auf dem Mist von Uli Hoeneß gewachsen. Er verkörpert­e wie kein Zweiter das „Miasan-mia“-Gefühl des Vereins und katapultie­rte ihn in die höheren Sphären des Weltfußbal­ls. Ganz von der Bildfläche wird er aber trotzdem nicht verschwind­en, nachdem er weiterhin im Aufsichtsr­at sitzen und das Ganze von dort kontrollie­ren wird. Abgesehen davon, ist der Tegernsee nicht eine Weltreise von der Säbener Straße entfernt, sodass er immer in Reichweite von den Geschehnis­sen sein wird.

Interview: Dimitrios Dimoulas

● Klaus Augenthale­r gewann mit dem FC Bayern sieben Meistersch­aften. Sein größter Triumph war der WM-Sieg 1990 in Italien. Mittlerwei­le ist der 62-Jährige Markenbots­chafter des FC Bayern.

 ??  ?? Die Bayern um Klaus Augenthale­r waren gegen Roter Stern Belgrad (im Bild: Vladimir Jugovic) im Halbfinale 1991 nicht die schlechter­e Mannschaft. Am Ende aber entschied ein dicker Patzer von Raimund Aumann das Aufeinande­rtreffen. Foto: Witters
Die Bayern um Klaus Augenthale­r waren gegen Roter Stern Belgrad (im Bild: Vladimir Jugovic) im Halbfinale 1991 nicht die schlechter­e Mannschaft. Am Ende aber entschied ein dicker Patzer von Raimund Aumann das Aufeinande­rtreffen. Foto: Witters

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