Die „Ikone der Ikonen“wird zergliedert
Ausstellung Martin Paulus und Willi Weiner widmen sich der „Troiza“des Andrej Rubljow
Allerorten russische Akzente: der Tänzer Nurejew in den Kinos, das Malerpaar Werefkin/Jawlensky im Münchner Kunstbau, erstmals ein Katharinenball in Zerbst (Herkunft der späteren Zarin Katharina II.), der Maler-Mönch Andrej Rubljow (ca.1360–1430) in Leitershofen. Dieser hier in Abwandlungen seines Hauptwerkes, der fast mannsgroßen Dreifaltigkeitsikone (Troiza), die als ein russisches Nationalheiligtum heute in der Moskauer TretjakowGalerie verehrt wird. Die Ausstellung in seiner Leitershofer AtelierGalerie hat Konrad Oberländer noch mit den ausführenden Künstlern Martin Paulus und Willi Weiner konzipiert, ihre Eröffnung aber nicht mehr erlebt. Seine Witwe Irene verriet dabei als weitere planerische Hinterlassenschaft eine Schau mit Bildern von Karl Veitz (1956– 2009).
Der Maler Martin Paulus (Landsberg/Lech) und der Bildhauer Willi Weiner (Stuttgart) waren schon 2010 mit ihrer Koproduktion „Hals“bei Oberländer zu sehen, damals noch in der Innenstadt. Sie setzte sich mit dem Barockmaler Frans Hals auseinander, so wie 1996 ihre erste Gemeinschaftsarbeit „Äsops Rätsel“mit den äsopischen Fabeln. Ihre jetzige zwei- und dreidimensionale Korrespondenz über die russische „Ikone der Ikonen“ aus dem Dreifaltigkeitskloster in Sergijew Possad (bei Moskau) kann also auf Erfahrung aufbauen.
Das Motiv der Ikone betrifft Kapitel 18 der Genesis, wo Abraham und seine Frau Sara drei Männer, die auf dem Weg nach Sodom sind, im Schatten eines Baumes bewirten. Die Dreifaltigkeit (Gott-Vater, Christus, Heiliger Geist) gestaltet Rubljow als drei engelhafte Figuren mit Botenstäben und langen Gewändern. Er gruppiert sie um einen Tisch mit einer rätselhaften Nische (für Reliquien?) und einem kelchförmigen Gefäß (für Eucharistie?) in der Mitte. Im Hintergrund sind Haus, Baum, Berg zu erkennen. Unsichtbar bleiben die Gastgeber Abraham und Sara, wodurch die Szene isoliert und zugleich überhöht wird. Willi Weiners bildhauerische Mittel sind das Herauslösen einzelner Bildelemente wie Lebensbaum, Kelch, Botenstäbe, Flügel. Aber auch die Trinität der Tischgruppe erfasst er: durch drei Gebilde, die Amphoren gleichen und blaue Gewandspuren aufweisen. Weiners Material ist dünn gehämmerter, getriebener,
Martin Paulus (links) vor seinen „Geneigtes Haupt“-Bildern; Willi Weiner (auch mit Zeichnungen vertreten) neben seiner „Lebensbaum“-Skulptur. Foto: hks gefalteter, geschweißter Cortenstahl. Ihn formt er kompaktkubistisch wie die Tischgruppe, aber auch zart-arabesk wie den Lebensbaum, dem er sogar ein wenig Blattgold auflegt.
Martin Paulus greift ebenfalls Details auf: Hand, Füße, Stab, Baum, Faltenwurf, Nische, öfters das geheimnisvolle Gefäß und das geneigte Haupt der Zentralfigur, alles ausgeführt in Mixed-MediaTechnik. Das Gesamtbild der Ikone vermittelt Paulus mit den Großformaten „die drei aus der ferne“, wobei der Wunsch nach Annäherung mitschwingt.
Hervorzuheben ist bei diesen drei Bildern der Malgrund. Er ist Leinen von Konrad Oberländer, dessen Eltern in der ungarischen Heimat auch Flachs angebaut, gesponnen und gewebt haben. Ein Vorrat an solchem Leinen kam bei der Vertreibung der Familie 1946 mit in den Westen. Martin Paulus ist nicht der einzige Künstler, den Konrad Oberländer damit versorgte. Nun profitiert auch Andrej Rubljow aus der Ferne davon.
O„Troiza“zeigt die Galerie Oberländer in Leitershofen (Schloßstr. 52) bis zum 7. Dezember (verlängert), Freitag und Samstag 15 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 08 21/43 18 59). Eine auch bibliophile Kostbarkeit ist das Konrad Oberländer gewidmete Begleitbuch (20 Euro).