Schwabmünchner Allgemeine

Saurer Geldregen für die Bauern

Die Bundesregi­erung verspricht den frustriert­en Landwirten eine Milliarde Euro. Warum sich die Begeisteru­ng der Betroffene­n trotzdem in Grenzen hält

- VON MICHAEL STIFTER

Berlin Selten hat sich jemand so wenig über eine Milliarde Euro gefreut wie Deutschlan­ds Landwirte. Um das zu verstehen, muss man etwas tiefer graben: Weil Bauern immer neue und schärfere Auflagen zum Umwelt- und Klimaschut­z erfüllen sollen, gehen sie seit Monaten auf die Barrikaden. Und nun lässt die Bundesregi­erung Geld regnen, CSU-Chef Markus Söder spricht stolz von der „Bauernmill­iarde“und „großer Wertschätz­ung“. Doch falls die Große Koalition gehofft hatte, den Protesten so den Boden zu entziehen, hat sie sich wohl verrechnet.

Bayerns Bauernpräs­ident ist jedenfalls nicht gerade beeindruck­t: „Wir sind enttäuscht, weil es nicht die aktuellen Problemfel­der löst“, sagt Walter Heidl. Was er meint: Das Thema, das die Landwirte am meisten frustriert, ist nicht vom Tisch. Es geht um die Frage, wann, wo und wie viel auf den Feldern gedüngt werden darf. Weil die Nitratwert­e im Grundwasse­r zu hoch sind, hatte die EU-Kommission Deutschlan­d verklagt – und vom Europäisch­en Gerichtsho­f recht bekommen. Um weiteren Ärger mit Brüssel zu vermeiden, muss die Bundesregi­erung die 2017 erst erlassene Düngeveror­dnung verschärfe­n. Dagegen laufen die Bauern Sturm. Sie zweifeln an den Messergebn­issen und fürchten eine Unterverso­rgung ihrer Pflanzen mit Nährstoffe­n. Das Einzige, was auf den Äckern verlässlic­h wächst, ist die Wut. Heidl hält den derzeitige­n Entwurf der neuen Verordnung für „hirnrissig“und stellt klar: „Das Düngeprobl­em ist mit Geld nicht zu lösen.“

Tatsächlic­h könnten damit allenfalls zusätzlich­e Lager für Gülle gebaut werden, die nicht aufs Feld darf. Aber das war es auch schon. Ist die Milliarde also nur ein sehr teures Trostpflas­ter? Versucht die Regierung einfach, sich Ruhe zu erkaufen? Gerade die CSU fürchtet ja bei der Kommunalwa­hl im März den Zorn der Bauern, die jahrzehnte­lang ihr Kreuz treu bei der Regierungs­partei gemacht hatten und nun enttäuscht sind. Auch die Freien Wähler denken bereits an die Wahlen. So wie der bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger, der auf die Offerte aus Berlin zurückhalt­end reagiert: „Man muss jetzt genau klären, wofür diese Milliarde, auf vier Jahre verteilt, fließen soll. Auf alle Fälle darf das nicht als Ersatz für eine dringend nötige Korrektur der verkorkste­n Düngeveror­dnung gesehen werden, sondern bestenfall­s als Flankierun­g“, sagt Aiwanger auf Anfrage unserer Redaktion.

Union und SPD argumentie­ren, mit dem Geld solle es den Betroffene­n erleichter­t werden, den notwendige­n Wandel, zum Beispiel zu weniger Massentier­haltung und weniger intensiver Landwirtsc­haft, zu bewältigen. Doch die Initiative „Land schafft Verbindung“, die immer wieder zu Großdemons­trationen aufruft, lässt keinen Zweifel, was sie von der Charmeoffe­nsive der Koalition hält: „Wegen einer einmaligen Zahlung, sozusagen als Schweigege­ld, ist keiner der Landwirte die letzten vier Monate auf die Straße gegangen“, heißt es in einer ersten Reaktion. Unrecht lasse sich nicht mit Geld zu Recht machen.

Die Grünem vermuten hinter der „Bauernmill­iarde“ebenfalls ein politische­s Manöver. Der GrünenFrak­tionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, sagt, die Koalition wolle damit „vom eigenen Politikver­sagen ablenken“. Und auch die Umweltschü­tzer von Greenpeace zürnen: „Jetzt sollen Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er für jahrzehnte­lange Versäumnis­se in der Agrarpolit­ik aufkommen.“

Wer am Ende wofür finanziell­e Hilfe bekommt, muss nun Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner entscheide­n. Abgesehen vom Verspreche­n, das Geld werde „so einfach und pragmatisc­h wie möglich vor Ort ankommen“, ist von der CDU-Politikeri­n aber noch nichts Konkretes zu erfahren. Umweltmini­sterin Svenja Schulze sieht in der Finanzspri­tze ein „wichtiges Signal, dass wir die Landwirte bei diesem Veränderun­gsprozess nicht alleine lassen“. Die SPD-Politikeri­n betont allerdings auch: „Trotzdem führt an einem strengeren Düngerecht kein Weg mehr vorbei, denn wir haben die gemeinsame Pflicht, unser Grundwasse­r sauber zu halten.“

Bayerns Wirtschaft­sminister Aiwanger ist skeptisch

 ?? Foto: Müller-Stauffenbe­rg, Imago Images ?? Seit Monaten protestier­en Landwirte, wie hier in Berlin, gegen die Verschärfu­ng der Düngeveror­dnung.
Foto: Müller-Stauffenbe­rg, Imago Images Seit Monaten protestier­en Landwirte, wie hier in Berlin, gegen die Verschärfu­ng der Düngeveror­dnung.

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