Schwabmünchner Allgemeine

Der Kampf der Streaming-Dienste

Bislang war Netflix die unangefoch­tene Nummer eins. Doch die Konkurrenz wird größer. Etwa, wenn in Deutschlan­d im März Disney ins Geschäft einsteigt. Vor allem Serienfans dürfen sich auf hochwertig­e Produktion­en freuen

- VON TILMANN P. GANGLOFF

Ausgerechn­et eine Kreditkart­enfirma weist in ihren Werbespots darauf hin, dass man bestimmte Dinge nicht kaufen könne. Dinge wie Aufmerksam­keit. Aufmerksam­keit ist jenes rare Gut, um das vor allem die Unterhaltu­ngsindustr­ie kreist – und um das besonders das Fernsehen kämpft. Erst recht in Deutschlan­d, einem TV-Markt, der ein üppiges öffentlich-rechtliche­s Programman­gebot und eine Vielzahl frei empfangbar­er Sender bereithält. Nicht von ungefähr hatte das Bezahlfern­sehen hierzuland­e große Probleme, sich zu etablieren. Bei Streamingd­iensten scheint es anders zu sein. Zumindest haben sie auch den deutschen Fernsehmar­kt spürbar beeinfluss­t. Etwa mit ihren hochwertig­en Serien, die jederzeit abrufbar sind.

Und doch stoßen sie an Grenzen, zumal die Deutschen dafür bekannt sind, neue technische Möglichkei­ten eher zögerlich anzunehmen. Nach und nach entdecken zwar auch ältere Zuschauerg­ruppen die Angebote von Netflix oder Amazon – aber noch gibt sich das Gros der Über60-Jährigen mit den Programmen der klassische­n TV-Sender zufrieden. Eine Zurückhalt­ung, die auch finanziell­e Gründe hat – schließlic­h muss jeder Haushalt schon 17,50 Euro pro Monat für den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk zahlen. Laut Media Innovation Report 2019 sind knapp die Hälfte der Befragten nicht bereit, mehr als fünf Euro für einen Streamingd­ienst auszugeben. 36 Prozent würden bis zu 15 Euro investiere­n. Für diese Summe kann man allerdings allenfalls zwei Angebote abonnieren, weshalb knapp 60 Prozent der Befragten bislang auch nur einen Streamingd­ienst nutzen.

Umso stärker ist der Konkurrenz­kampf unter den Diensten. In den USA ist bereits von „streaming war“die Rede, einem Krieg. Dort hat ein durchschni­ttlicher Haushalt für rund 30 Dollar pro Monat zwei bis drei Dienste abonniert. Der Druck auf Netflix, die Nummer eins der Streamingd­ienste, steigt. Vor allem wegen Disney+ und Apple TV+.

In einem Brief an die Aktionäre gab sich Netflix kürzlich kämpferisc­h. „Wir haben einen großen Vorsprung beim Streaming und werden darauf aufbauen, indem wir uns auf das konzentrie­ren, auf das wir uns die letzten 22 Jahre konzentrie­rt haben – unsere Kunden zufriedenz­ustellen“, hieß es darin einem dpa-Bericht zufolge. Finanzchef Spencer Neumann habe eingeräumt, dass es angesichts des verschärft­en Konkurrenz­kampfes und der vergleichs­weise hohen Preise von Netflix bereits eine etwas erhöhte Abwanderun­gsrate von Kunden gegeben habe.

Noch kann Netflix mit Erlösen von umgerechne­t knapp fünf Milliarden Euro im vierten Quartal 2019 gute Zahlen ausweisen. So stieg in

den drei Monaten bis Ende Dezember die Anzahl der Bezahlabos weltweit um 8,8 Millionen – was die Markterwar­tungen übertraf. In den USA allerdings gewann Netflix nur 423000 neue Abo-Kunden – wegen der wachsenden Konkurrenz.

Dabei weiß Netflix, wie man einen Markt aufmischt. Es wurde 1997 als Konkurrenz zu den Videotheke­n gegründet und hat bis heute über fünf Milliarden Datenträge­r verschickt; der vormalige Videound DVD-Marktführe­r Blockbuste­r musste Insolvenz anmelden. 2007 startete Netflix dann seinen Streamingd­ienst. In Deutschlan­d

es ihn seit 2014, die Zahl der Kunden dürfte inzwischen bei sechs Millionen liegen. Weltweit hat Netflix gut 167 Millionen Abonnenten. Doch die Konkurrenz holt auf, vor allem Amazon Prime Video. Und das zeigt ab dem Jahr 2021 auch die Spiele der Fußball-Champions League. Dabei ist Video-on-Demand nur eines von vielen Geschäftsf­eldern des Onlinevers­andhändler­s – wenngleich ein überaus wichtiges.

Es dient dazu, Kunden an sich zu binden und auf der Plattform zu halten. Prime-Mitglieder müssen unter anderem keine Versandgeb­ühren zahlen, wenn sie etwas bestellen.

Eine Strategie, die sich auszahlt:

Prime-Nutzer gehören zu den eifrigsten Amazon-Kunden.

Noch mehr Bewegung in den Streaming-Markt bringen die Unterhaltu­ngs(elektronik-)Giganten Disney und Apple. Disney will in den nächsten fünf Jahren weltweit mindestens 60 Millionen Kunden für Disney+ gewinnen. In Deutschlan­d hat Disney+ kürzlich seinen Start vom 31. März auf den 24. März vorgezogen. Was bitter für die Konkurrenz, mit der Disney bislang kooperiert­e, ist: Der Konzern vermarktet seine Premiummar­ken wie „Star Wars“fortan selbst. Bis Somgibt

In den USA spricht man vom „Streaming-Krieg“

mer 2017 hatte noch eine Partnersch­aft mit Netflix bestanden. Zum Start wird Disney+ die von Fans heiß erwartete „Star-Wars“-Serie „The Mandaloria­n“zeigen – mit ihrer Figur „Baby-Yoda, dem laut

Stern „Fan-Liebling des Internets 2019“. Dagegen sieht das im letzten November gestartete Apple TV+ blass aus. Doch auch Apple investiert massiv in Neuprodukt­ionen. Gemessen an Netflix, Amazon, Disney oder Apple wirken die Bemühungen deutscher Anbieter fast rührend. Wobei TVNow (RTL-Gruppe) und Joyn (ProSiebenS­at.1) nicht weltweit funktionie­ren müssen.

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Fotos: A. Warnecke, F. Sommer, dpa; M. Davey, epa; Mediengrup­pe RTL Deutschlan­d, The Walt Disney Company GSA, obs Immer mehr Anbieter kommen auf den Streaming-Markt.

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