Die Krise von 2015 als Doku
ARD-Film arbeitet Flüchtlingsbewegung vor fünf Jahren auf
Berlin Der Film „Die Getriebenen“wirkt in diesen Tagen eher wie ein Blick in eine Parallelwelt als in die Vergangenheit – ähnliches Personal, völlig andere Ausnahmesituation. Knapp fünf Jahre nach dem Flüchtlingssommer 2015 arbeitet die ARD die Ereignisse in einem 120-minütigen Fernsehfilm auf. Vorlage ist das gleichnamige Sachbuch des WeltJournalisten Robin Alexander, der darin minutiös die politischen Grabenkämpfe mehrerer Monate aufarbeitet, die das Land verändert haben.
„Wenn man das Buch liest, wenn man den Film sieht, dann wird einem etwas klar, was man eigentlich weiß, sich aber nicht vor Augen führt: Wie enorm der Druck ist, unter dem Politiker stehen, die Geschwindigkeit, mit der sie agieren und reagieren müssen“, sagt Martina Zöllner, Film und Doku-Chefin beim Rundfunk
Berlin-Brandenburg und Mitglied des Redaktionsteams. „Und zuweilen Entscheidungen von historischer Tragweite zu treffen haben, wie ja jetzt gerade auch.“
Ungewollt und ungeplant spiegelt die eine Krise die andere, auch wenn die Jahre 2015 und 2016 im Vergleich zu heute mehr Überforderung als Bedrohung waren. Wieder verändert sich das Land, es geht um Solidarität und um Politiker, die Entscheidungen treffen müssen, die sie nicht vorhergesehen haben. Im Kampf gegen das Virus schließt die Bundesrepublik Grenzen, die damals offenblieben – allerdings standen da auch heimatlose Menschen auf der anderen Seite. Oder, wie der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) (Wolfgang Pregler) in einer Szene fragt: „Was machen wir, wenn 500 Flüchtlinge mit Kindern auf dem Arm auf unsere Bundespolizisten zulaufen?“
Es ist die zweite große Produktion binnen eines Jahres, die die Ereignisse nachzeichnet. Den Auftakt machte das ZDF im September mit dem Dokudrama „Stunden der Entscheidung: Angela Merkel und die Flüchtlinge“. Die ARD schließt eine Flanke, die die ZDF-Produktion offenließ: Merkels Gegenspieler, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, nimmt breiten Raum ein – er ist es, der den Migranten den Weg nach Österreich und Deutschland öffnet und dann noch beschleunigt. „Viktor Orbán ist eine Schlüsselfigur dieses Sommers, er treibt die anderen vor sich her und setzt sie massiv unter Druck“, sagt Zöllner. Zentrale Figur ist im Film wie in der Realität aber Angela Merkel.
„Für mich ist das ganz klar keine Doku-Fiction, sondern ein Spielfilm“, sagt Regisseur und Produzent Stephan Wagner. „Dabei will man dem tatsächlichen Ablauf der Dinge so nah wie möglich kommen, und zwar nicht nur den Fakten, sondern auch der inneren Wahrheit.“ Der Film „Die Getriebenen“ist am heutigen Mittwoch auf ARD ab 20.15 Uhr zu sehen.
Neben Angela Merkel steht auch Viktor Orbán im Fokus