Die bewährten Mittel hießen Mord, Verrat und Geiselnahme
Bestsellerautor Harari schildert in seinem neu erschienenen Buch die Methoden mittelalterlicher Kriegsführung
Wer wieder eine große Welterklärung des israelischen Historikers Yuval Noah Harari erwartet, wird enttäuscht: Sein eben auf Deutsch erschienenes Buch „Fürsten im Fadenkreuz. Geheimoperationen im Zeitalter der Ritter von 1100 bis 1550“stammt aus dem wissenschaftlichen Leben Hararis vor seinen beiden Weltbestsellern „Homo sapiens“und „Homo deus“. Die englische Originalausgabe wurde bereits 2007 veröffentlicht, nun zieht der Beck-Verlag die Publikation der deutschen Übersetzung nach, möglicherweise in der Hoffnung, dass auch dieser Harari wieder ein Kassenschlager wird.
Wer Hararis Bestseller bereits gelesen hat, dem bietet sich nun die Möglichkeit zu ergründen, wie Harari als Historiker zuvor gearbeitet hat. Ansonsten ist dieses Buch über Geheimoperationen im Mittelalter und späten Mittelalter vor allem ein Buch für Menschen mit erhöhtem geschichtlichen Interesse.
Zu entdecken ist in „Fürsten im Fadenkreuz“, dass Harari auch in diesem Buch eine große Lust hat, Geschichte zu erzählen. Es kommt ihm weniger auf die Menge an Fußnoten an, sondern mehr darauf, sein durchaus bemerkenswertes Thema geistreich zu durchdringen. Harari weist auf ein Dilemma mittelalterlicher Kriegsführung hin. Denn allem Ritter-Ehrenkodex zum Trotz waren sehr oft Geiselnahme, Mord und Verrat bewährte Mittel, um politische wie militärische Ziele durchzusetzen. Diese Mittel wurden auch konsequent eingesetzt. „Durch die Ermordung eines Regenten oder die Erstürmung einer Festungsanlage nahm ein Spezialkommando somit Einfluss auf das materielle Machtgleichgewicht und versetzte dem Gegner zugleich einen verheerenden symbolischen Schlag.“
Neben einer allgemeinen Analyse führt Harari in sechs Fällen genauer aus, welchen Einfluss Spezialkommandos hatten. Das beginnt 1098 mit dem ersten Kreuzzug, der beinahe vor den Toren Antiochias gescheitert wäre. Nur durch einen Verrat gelang es, nach Monaten erfolgloser Belagerung die stark befestigte Stadt in allerletzter Sekunde einzunehmen. Und auch in der zweiten längeren Schilderung blickt Harari noch einmal in die Levante. Die Befreiung König Balduins aus Kharpurt liest sich wie ein völlig unwahrscheinlicher Abenteuerroman.
Wie groß die Folgen von erfolgreichen Spezialkommandos sein können, zeigt die letzte längere Einzelschilderung: 1536 marschierte Karl V. mit einem großen Heer in Frankreich ein, um dort König Franz I. niederzuwerfen. Dieser stellte sich der großen Streitmacht allerdings nicht in einer Feldschlacht, sondern stellte Karl V. eine Falle. Dessen Armee wurde in die Provence gelockt, fand dort allerdings einen komplett verwüsteten Landstrich vor. Nur mit einer einzigen noch intakten Mühle konnte Karl V. die Versorgungslage einigermaßen erträglich halten. Genau auf diese Mühle von Auriol setzten die Franzosen ein Spezialkommando an: Ein Freiwilliger fand sich, Blaise de Monluc, der dieses waghalsige Unterfangen tief im Feindesland mit lediglich 120 Mann in Angriff nahm. Sein Plan ging tatsächlich auf, er schaffte es sogar mit einem Großteil seiner Truppe wieder zurück. Nur: Nachdem Karl V. seinen Feldzug aufgrund von akutem Nahrungsmangel aufgegeben hatte, verbuchten den Lorbeer für diese Tat beim französischen König andere.
» Yuval Noah Harari: Fürsten im Fadenkreuz. Geheimoperationen im Zeitalter der Ritter 1100 bis 1550. Übersetzt von Andreas Wirthensohn, C. H. Beck, 348 Seiten, 26,95 Euro.