Seifert schwört die Liga ein
Die Deutsche Fußball-Liga sieht in der Vielstimmigkeit eine Gefahr und macht die Vereine darauf aufmerksam, dass Meinungsvielfalt in der Corona-Krise keine Stärke ist
Frankfurt Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) will vor der auf den 23. April verschobenen Mitgliederversammlung verhindern, dass einzelne Vereine über mögliche Einstiegsszenarien der vorläufig bis Ende des Monats unterbrochenen Saison spekulieren. Solche Meinungsäußerungen sollen künftig unterbleiben. DFL-Chef Christian Seifert hat in einem von ihm unterzeichneten Rundschreiben nicht nur die Gründe der Verlegung der nächsten virtuellen Zusammenkunft erklärt, sondern einen ganzen Absatz einem Appell gewidmet, unüberlegte und unangemessene Meinungsäußerungen zu unterlassen. Stattdessen werden die Führungskräfte von Bundesliga und 2. Bundesliga auf eine einheitliche Linie eingeschworen.
Es gehe nicht darum, das Recht auf Meinungsäußerung einzuschränken, sagte ein Vereinsvertreter, „sondern darum, dass Vielstimmigkeit jetzt gerade keine Stärke ist, weil es das Ergebnis verkompliziert“. Die Profilierungssucht einzelner Protagonisten sei letztlich für das Gesamtkonstrukt schädlich. Der Aufsichtsratsvorsitzende der DFL GmbH, Peter Peters (FC Schalke 04), hatte am Dienstag ebenfalls per Rundmail explizit die Vereine der ersten Liga ermahnt, sich mit Statements künftig zurückzuhalten. An die Klubs der zweiten Liga erging bereits am vergangenen Freitag ein PDF-Dokument mit ähnlichem Wortlaut vom DFL-Vizepräsidenten Steffen Schneekloth (Holstein Kiel), der als Sprecher fürs Unterhaus fungiert.
Drei Vorgänge mit gleichlautender Stoßrichtung zeigen, wie brisant Themen wie die Saisonfortsetzung, Insolvenz oder Kurzarbeit sind – und wie sehr der DFL im „Überlebenskampf“(Seifert) an einer einheitlichen Linie gelegen ist. Der Aufruf zur Einstimmigkeit soll ein geschlossenes Bild des Profifußballs vermitteln, der mehr denn je auf das politische Wohlwollen angewiesen ist, um die vorerst bis zum 30. April unterbrochene Saison mithilfe von Geisterspielen möglichst noch bis zum 30. Juni zu beenden. Mehrere Klubvertreter seien irritiert, dass persönliche Eitelkeiten und Interessen selbst in der Pandemie im Vordergrund stünden. Viele hätten nicht verstanden, heißt es, dass der deutsche Profifußball extrem viel Kraft und Geld aus der Gesellschaft und Wirtschaft sauge und es jetzt bestimmt nicht darum gehe, den einzelnen Marktwert eines Klubs in Sicherheit zu bringen. Manche Wortmeldungen seien vielleicht nicht boshaft, aber mindestens naiv gewesen. Die Frankfurter Allgemeine
Zeitung zitierte am Mittwoch ein weiteres Bundesliga-Vorstandsmitglied: „So eine Kakofonie ist kontraproduktiv für das Ziel von allen. Es gibt einige, die in der Blase hocken und keine Sensibilität haben für die realen Probleme, die im Vordergrund stehen.“Vor allem Klaus Hofmann (FC Augsburg), Dirk Zingler (Union Berlin) oder Martin Kind (Hannover 96) dürften gemeint sein. Augsburgs Präsident Hofmann hatte das Geschäftsgebaren mancher Klubs und deren Verhalten in einem Exklusiv-Interview mit unserer Zeitung kritisiert: „Wenn ich lese, dass Fußballvereine, die ein paar hundert Millionen Euro Umsatz machen, ihre Geschäftsstellenmitarbeiter in Kurzarbeit schicken, fühle ich mich wie in einem falschen Film.“Union-Präsident Zingler hatte auf der Vereinshomepage über den Zeitpunkt der Saisonfortsetzung vorgeschlagen: „Wir sollten einen Termin finden, der eine gesellschaftliche Akzeptanz hat. Die Kinder müssen erst zur Schule und vielleicht muss auch die kleine Kneipe mit 20 Plätzen erst wieder auf, bevor wir Fußball spielen.“Auch Hannovers Patron Kind meldete sich zu Wort: „Ich hoffe, und das ist auch meine große Erwartung, dass die Politik jetzt im April das Szenario der Reaktivierung der Strukturen einleitet. Das ist zwingend notwendig.“
In der DFL-Chefetage kamen die Einzelmeinungen nicht gut an, die nicht dazu dienen, Akzeptanz auf höchster Ebene herzustellen, die Saison in einer Art virenfreier Sonderzone noch zu Ende zu spielen. Chefstratege Seifert hatte zu Beginn der Corona-Krise seinen direkten Draht zu Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont, der nun offenbar unter bestimmten Voraussetzungen für die Fortsetzung in Form von Geisterspielen stimmt. Prämisse ist für den DFL-Chef: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogenheit die Realität.“Auch die Taskforce Sportmedizin/Sonderspielbetrieb mit Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer an der Spitze gibt derzeit keine öffentlichen Wasserstandsmeldungen ab.